29. März 2024

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Arbeitsmarkt schüttelt Corona-Auswirkungen langsam ab

In diesem Jahr sank die Arbeitslosigkeit im September stärker als in den Vorjahren. Der Arbeitsmarkt befreit sich immer mehr aus der Umklammerung der Pandemie. Aber nicht alle profitieren.

Dank einer kräftigen Herbstbelebung schüttelt der deutsche Arbeitsmarkt die Folgen der Corona-Pandemie allmählich ab.

Nur noch etwa 200.000 der im September 2.465.000 Arbeitslosen seien auf die Krise zurückzuführen, sagte das Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, Daniel Terzenbach. Die Vergleichszahl hatte schon einmal bei 650.000 gelegen. 

Terzenbach machte jedoch darauf aufmerksam, dass die Krise den Arbeitsmarkt verändert hat. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen – vor allem Ältere mit weniger Bildung – sei stark gestiegen. Mit knapp über einer Million liege sie um 40 Prozent über dem Vorkrisen-Niveau. Dagegen sei die Jugendarbeitslosigkeit so niedrig wie nie seit der Wiedervereinigung. «Der Erholungsprozess ist erheblich, erreicht aber nicht alle in gleichem Ausmaß», sagte Terzenbach.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte, die Tendenz sei insgesamt vielversprechend. Die Langzeitarbeitslosigkeit brauche jedoch besonderes Augenmerk. Die Auswirkungen der Pandemie zeigten sich dort besonders deutlich.

114.000 Arbeitslose weniger

Im Vergleich zum August sank die Zahl der Arbeitslosen im September um 114.000 – ein Absinken in diesem Monat ist wegen des Endes der Sommerferien, des Beginns der Ausbildungsverhältnisse und mehrerer anderer saisonaler Faktoren üblich. «Der Rückgang fällt in diesem Jahr deutlicher aus als üblicherweise in den Vorjahren», sagte Terzenbach. Grund sei, dass nach dem Ende vieler Corona-Restriktionen Aufholprozesse in Gang gesetzt worden seien.

Die Zahl der Menschen ohne Job lag im September um 382.000 niedriger als im September 2020 – damals waren die Folgen der Pandemie noch deutlicher spürbar. Die Quote sank seit August um 0,2 Punkte auf 5,4 Prozent. Im Vergleich zum September 2019 – also vor Beginn der Corona-Pandemie – lag sie um 0,5 Prozentpunkte niedriger, bei 4,9 Prozent. 

Saisonbereinigt sei die Zahl der Arbeitslosen im September um 30.000 nach unten gegangen, teilte die Bundesagentur weiter mit. In die September-Statistik flossen Daten ein, die bis zum 13. September erhoben worden waren. 

Trend setzt sich fort

Im September setzte sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein Trend fort, der bereits in den Sommermonaten Juli und August zu beobachten war: Das Ende des Corona-Lockdowns führt zu teils saisonüblichen Belebungseffekten. So hat sich auch im September die Zahl der gemeldeten freien Stellen wieder erhöht – auf 799.000, das sind 209.000 mehr als vor einem Jahr – und auch mehr als vor Beginn der Corona-Krise, wie Terzenbach erklärte. «Wir sehen, dass die hohe Nachfrage nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voll angezogen hat», sagte er.

In einigen Branchen – vom Handwerk über das Gesundheitswesen bis zur Gastronomie – mache sich bereits ein eklatanter Fachkräftemangel bemerkbar, der durch die Transformation der Industrie verschärft werden – weniger qualifizierte Jobs würden weniger gebraucht, dafür herrsche ein Mangel an besser Qualifizierten. Um diese Lücke zu schließen, müssten die Ressourcen im Inland – etwa bei der Qualifizierung von Arbeitslosen und gering qualifizierten Beschäftigten – ausgeschöpft werden, forderte der Arbeitsmarktexperte.

Hinzu müsse vermehrte Zuwanderung kommen. «Wir müssen als Gesellschaft akzeptieren, dass wir dafür werben müssen», sagte er auch an die Adresse einer neuen Bundesregierung. Visa-Prozesse müssten vereinfacht, Sprachförderung intensiviert und die Anerkennung beruflicher Qualifikation beschleunigt werden.

Von einer neuen Bundesregierung forderte er auch mehr finanzielle Anreize für die Umschulung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen sowie weniger Regulierung beim Umgang mit Hartz-IV-Empfängern. Derzeit seien fast so viele Kräfte gebunden, um die Höhe des Arbeitslosengeldes zu berechnen, wie in der Vermittlung von Arbeitslosen. «Das Rückfordern von Beträgen in Höhe von 1,60 Euro entspricht nicht mehr der gesellschaftlichen Realität 2021», sagte Terzenbach.

Entspannung meldet die Bundesagentur auch bei der Kurzarbeit. Vom 1. bis zum 26. September seien Anzeigen für Kurzarbeit von 70.000 Personen eingegangen – Corona ist dabei nicht mehr der Hauptgrund, sondern eher die Lieferengpässe in der Industrie. Daten, wie viel Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen wurde, liegen der Bundesagentur bis Juli vor. In diesem Monat sei für 927.000 Menschen Kurzarbeitergeld gezahlt worden. In der Spitze der Corona-Pandemie waren es im April 2020 fast sechs Millionen. «Wir gehen davon aus, dass es auch in den nächsten Monaten deutliche Rücknahmen gegen wird», betonte Terzenbach. 

Von Michael Donhauser, dpa