28. März 2024

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«Asien mehr als China»: Wirtschaft will breitere Aufstellung

Sie wird immer mehr zur Gretchenfrage der deutschen Handelspolitik: Wie halten es deutsche Wirtschaft und Politik mit China? Andere Wirtschaftsregionen sollen mehr in den Blick genommen werden.

Abhängigkeiten von China verringern, stärkere Handelsbeziehungen mit anderen Ländern – das ist das große Thema einer anstehenden Konferenz der deutschen Wirtschaft in Singapur. Der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, Dirk Jandura, brachte es so auf den Punkt: «Asien ist mehr als nur China.» Deutschland müsse sich verstärkt um gute und verlässliche Handelsbeziehungen auch im asiatisch-pazifischen Raum kümmern.

Siemens-Chef Roland Busch, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, sagte, ein zentrales Thema werde die Diversifizierung sein – mit dem Ziel, Abhängigkeiten zu reduzieren und einseitige Risiken zu vermeiden. «Die Politik kann hierbei unterstützen, indem Handels- und Investitionsabkommen mit möglichst vielen Ländern zügig abgeschlossen werden, um den Zugang zu neuen Märkten zu erleichtern. Industriepräsident Siegfried Russwurm sagte: «Die Lehre aus dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ist, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden.»

Bei der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft von Sonntag bis Montag werden auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erwartet, die jeweils von einer Wirtschaftsdelegation begleitet werden. Die Bundesregierung arbeitet derzeit an einer neuen China-Strategie.

«Zeitenwende» in der Handelspolitik

Busch sagte, Asien-Pazifik sei die wichtigste außereuropäische Region für deutschen Handel und Investitionen. «Es ist eine dynamische Wachstumsregion, in der etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Die Hälfte des weltweiten Wirtschaftswachstums in den nächsten zehn Jahren kommt aus Asien. Insbesondere die Innovationskraft in vielen Ländern der Region und die Affinität zu modernsten Technologien können eine Bereicherung auch für deutsche Unternehmen darstellen, die in Asien-Pazifik aktiv sind.» Gleichzeitig könnten deutsche Unternehmen beim nachhaltigen Umbau der Volkswirtschaften in der Region mit ihrem Know-how bei Umwelttechnologien unterstützen.

Russwurm sagte: «Eine diversifizierte Wirtschaft reduziert das Risiko für Unternehmen und Volkswirtschaften insbesondere in Krisensituationen. Diskussionen zum Umgang mit wirtschaftlichen Abhängigkeiten und zum Aufbau von Resilienz bleiben notwendig – vor allem, aber nicht nur hinsichtlich China.»

Der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Volker Treier, sagte: «Auch wenn der Aufbau neuer Produktionsstätten und Lieferantenstrukturen sehr zeit- und kostenintensiv ist: Es ist das drängende Thema der deutschen Außenwirtschaft, sich stärker den Märkten Asien-Pazifiks auch jenseits von China zu stellen.» Die Konferenz biete die notwendige Plattform für die Vernetzung der Unternehmen. Die Bundesregierung und die EU sollten sich für den raschen Abschluss von ehrgeizigen Handelsabkommen mit den Ländern im Asien-Pazifik-Raum einsetzen, insbesondere mit Indonesien und Indien, aber auch mit Thailand, Malaysia und den Philippinen. BGA-Präsident Jandura sagte: «Die Zeitenwende gilt nicht nur für die Außen- und Sicherheitspolitik. Sie gilt auch für die Handelspolitik.»

Manager warnen vor Rückzug aus China

China dürfte aber auch weiter eine wichtige Rolle für die deutsche Wirtschaft spielen. In einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» von mehreren Top-Managern wie Busch, BASF-Chef Martin Brudermüller oder Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld heißt es: «Trotz aller Herausforderungen Chinas und mit China sind wir davon überzeugt, dass dessen grundsätzliche Wachstumsdynamik bestehen bleibt. Ein Rückzug aus China würde uns von diesen Chancen abschneiden.» Die Präsenz deutscher Unternehmen in China sei im eigenen Interesse der deutschen Wirtschaftskraft besonders wichtig. Damit würden Arbeitsplätze und Lebensunterhalt vieler Menschen in Deutschland gesichert. «Im Miteinander lässt sich mehr erreichen als im Gegeneinander.»

Die Manager sprachen sich aber dafür aus, die Beziehungen neu zu justieren. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern habe sich schon seit einigen Jahren sehr verändert. «China reklamiert mit Blick auf seine Entwicklung immer robuster seinen Platz als Weltmacht. Das zeigt sich an den besorgniserregenden Spannungen in der Straße von Taiwan, die friedlich gelöst werden müssen. Und die Menschenrechtssituation in der Provinz Xinjiang entspricht nicht unseren Werten.» Es sei daher richtig, dass Deutschland sein Verhältnis mit China heute differenzierter definiere – entlang der drei Dimensionen Wettbewerb, Kooperation und Systemrivalität. «Diese in eine zukunftsweisende Balance zu bringen, ist eine schwierige, aber notwendige Aufgabe.»

Weiter heißt es, es müssten Risiken etwa bei Halbleitern, Batterien, Rohmaterialien und seltenen Erden diversifiziert werden. «Wir werden dabei auf neue, aber auch auf bestehende Partner – etwa in Lateinamerika, im Afrika oder auch in Asien – zugehen.» Außerdem müsse die deutsche und die europäische Wettbewerbsfähigkeit stark gesteigert werden.

Von Andreas Hoenig, dpa