29. März 2024

Börsenprofi

Die Börsen im Überblick

Bundesarbeitsgericht: Grundsatzurteil zu Leiharbeit erwartet

Die Zeitarbeitsbranche und die Gewerkschaften blicken gespannt nach Erfurt: Wie urteilt das dortige Bundesarbeitsgericht über die Leiharbeitstarifverträge? Der Richterspruch könnte Sprengkraft haben.

Das Bundesarbeitsgericht entscheidet am Mittwoch über die Gleichstellung von Zeitarbeitern mit den Kernbelegschaften. Dabei stehen die Tarifverträge in der Branche auf dem Prüfstand.

Es geht um die Rechtmäßigkeit tariflicher Schlechterstellungen bei der Bezahlung von Leiharbeitern gegenüber Stammbeschäftigten. Den obersten Arbeitsrichtern liegt dazu der Fall einer befristet beschäftigten Leiharbeitnehmerin aus Bayern vor.

Die Klägerin erhielt nach Angaben des Bundesarbeitsgerichts im Gegensatz zu den Stammarbeitnehmern in dem Unternehmen rund ein Drittel weniger Stundenlohn. Das war möglich, weil ihre Zeitarbeitsfirma nach einem Tarifvertrag zahlte. Vom Grundsatz der Gleichbehandlung darf per Tarifvertrag zwar abgerückt werden. Doch sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen diese tariflichen Abweichungen erfolgen dürfen, sagte der Sprecher des Bundesarbeitsgerichts, Oliver Klose.

Achtung des Gesamtschutzes

Das Bundesarbeitsgericht hatte den Fall daher dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Die Antwort aus Luxemburg kam im vergangenen Dezember: Demnach dürfen Leiharbeiter nur dann schlechter bezahlt werden, wenn diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen wird. Wenn also ein Tarifvertrag einen niedrigeren Lohn für Leiharbeiter vorsieht, müssen ihnen im Gegenzug andere wesentliche Vorteile gewährt werden – etwa durch zusätzliche Freizeit. Es geht dabei um die Achtung des sogenannten Gesamtschutzes.

Der EuGH habe nur sehr vage Vorgaben gemacht, was darunter zu verstehen sei, sagte Klose. Das Bundesarbeitsgericht müsse nun klären, was das konkret für das Tarifmodell in der Branche bedeute. Unter Arbeitsrechtlern ist aber sehr fraglich, ob das Bundesarbeitsgericht die aktuellen Tarifverträge komplett kippt und somit alle Leiharbeitnehmer Anspruch auf gleichen Lohn wie die Stammarbeitskräfte hätten. Möglich wäre auch nur eine Entscheidung, die sich auf die befristet beschäftigten Leiharbeitnehmer bezieht. Zudem hatte der EuGH erklärt, dass es sich bei der Prüfung um Einzelfallentscheidungen handelt.

Rund zwei Prozent aller Beschäftigten in Leiharbeit

In Deutschland gibt es nach Angaben der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände derzeit knapp 800.000 Leiharbeitnehmer. Das sind rund zwei Prozent aller Beschäftigten. Für fast die gesamte Branche gelten Tarifverträge, welche der Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und der Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP) mit den DGB-Gewerkschaften geschlossen haben.

Der Arbeitsrechtler Wolfgang Hamann von der Universität Duisburg-Essen spricht daher von einem «praxisrelevanten Urteil». Das Geschäftsmodell der Zeitarbeitsbranche beruhe ja darauf, Arbeitskräfte zu verbilligen. Die Lohnunterschiede zu den Stammbelegschaften seien zum Teil beträchtlich und würden zwischen 24 bis zu 30 Prozent betragen. «Ich sehe aber zu dieser Vergütungsdifferenz keine adäquate Kompensation in den Tarifverträgen», sagt Hamann.