28. März 2024

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Großer Ausfall: Facebook, WhatsApp und Instagram weg

Facebook ist ein Internet-Koloss mit 3,5 Milliarden Nutzern, superreich und technisch gewieft. Wie kann es also passieren, dass ein Tech-Konzern dieser Liga für Stunden offline geht?

Rund sechs Stunden ohne Facebook, WhatsApp und Instagram: Ein ungewöhnlich langer Total-Ausfall hat am Montag Milliarden Nutzern des Online-Netzwerks zugesetzt.

Facebook erklärte die Störung mit einer fehlerhaften Konfigurationsänderung, durch die der Datenverkehr zwischen den Rechenzentren zusammengebrochen sei.

Die Störung war so schwer in Griff zu bekommen, dass Facebook der «New York Times» zufolge ein Team in sein Rechenzentrum im kalifornischen Santa Clara schicken musste, um einen «manuellen Reset» der Server zu versuchen. Das ist in etwa so, wie wenn man am PC zu Hause den Reset-Knopf drückt, weil nichts mehr geht.

Facebook verwies darauf, dass von dem Ausfall auch interne Systeme betroffen gewesen seien – wodurch es länger gedauert habe, das Problem zu diagnostizieren und zu beheben.

Die Erklärung deckt sich mit Vermutungen von Experten, die von einem Fehler in der Netzwerk-Infrastruktur ausgingen. «Vereinfacht dargestellt: Die Dienste von Facebook, WhatsApp und Instagram sind noch da – aber es fehlt im Internet quasi die Verknüpfung dorthin», erläuterte Rüdiger Trost von der IT-Sicherheitsfirma F-Secure. «Als hätte jemand auf einer Autobahn die Ausfahrtsschilder zu den «Orten» Instagram, WhatsApp und Facebook entfernt.»

Insgesamt nutzen monatlich rund 3,5 Milliarden Menschen mindestens einen Dienst des Konzerns, 2,76 Milliarden greifen sogar täglich darauf zu. Gründer und Konzernlenker Mark Zuckerberg entschuldigte sich in einem kurzen Facebook-Beitrag bei den Nutzern. WhatsApp-Chef Will Cathcart versprach, man werde daraus lernen.

Die weitreichenden Folgen der Probleme bei nur einem Unternehmen lösten neue Rufe nach einer Zerschlagung des Konzerns aus. Die demokratische US-Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez verwies darauf, dass Instagram und WhatsApp nicht betroffen gewesen wären, wenn man ihre Übernahme durch Facebook verhindert hätte. «Zerschlagt sie jetzt», twitterte sie.

Bei Facebook selbst seien neben der internen Kommunikationsplattform zum Teil auch digitale Türschlösser in Büros und andere vernetzte Technik ausgefallen, schrieb die «New York Times». Zwei namentlich nicht genannte IT-Sicherheitsexperten von Facebook sagten der Zeitung, eine Cyberattacke als Auslöser erscheine unwahrscheinlich. Offiziell erklärte das Online-Netzwerk, man habe keine Hinweise darauf, dass auch Nutzerdaten betroffen gewesen seien.

Die Facebook-Dienste waren ab etwa 18.00 Uhr MESZ nicht mehr nutzbar und gingen kurz vor Mitternacht wieder online. Der Technik-Chef des Cloud-Dienstleisters Cloudflare, John Graham-Cumming, verwies darauf, dass Nutzer und auch Software zunächst weiter versuchten, immer wieder Facebook-Dienste anzusteuern. Das belastete die restliche Web-Infrastruktur zusätzlich.

Mit dem Facebook-Blackout schlug die Stunde von Twitter – und der Facebook-Konkurrent war sich dessen bewusst. «Hallo buchstäblich alle», twitterte der Account des Kurznachrichtendienstes, auf dem sich über Stunden unzählige Facebook-Nutzer tummelten.

Twitter war am Montag voller Scherze darüber, wie das Verschwinden von Facebook alles auf einen Schlag besser gemacht habe, bis hin zum Weltfrieden. «Hoffentlich gehen Facebook, Instagram und WhatsApp nie wieder an», twitterte der Satiriker Jan Böhmermann. Der NSA-Enthüller Edward Snowden ergriff die Gelegenheit, um die Chat-App Signal als Alternative zu empfehlen, die mehr Datenschutz biete. Signal begrüßte am Montag Millionen neue Nutzer.

Für Facebook, das gerade in den USA unter politischem Druck steht, war der mehrstündige Ausfall eine blamable Krönung ohnehin mieser Wochen. Erst am Sonntag hatte sich die ehemalige Mitarbeiterin Frances Haugen als Whistleblowerin zu erkennen gegeben und dem Online-Netzwerk vorgeworfen, Profit über das Wohl der Nutzer zu stellen. Für Dienstag wurde sie in einen Unterausschuss des US-Senats geladen. In ihrer vorab veröffentlichten Stellungnahme forderte sie mehr Transparenz bei den Software-Algorithmen, die entscheiden, was Nutzer zu sehen bekommen.

Störungen, die auf Netzwerk-Fehler zurückgehen, gibt es im Web immer wieder mal. So hatte eine im Juli dafür gesorgt, dass zahlreiche Webseiten zeitweise nicht erreichbar waren. Die Zentralisierung der Netz-Infrastruktur bei großen Anbietern sorgt zudem dafür, dass der Ausfall bei einer Firma viele Dienste und Webseiten vom Netz reißen kann. Auch Anfang Juni waren zahlreiche Webseiten weltweit nach einer Störung bei einem Cloud-Dienst rund eine Stunde nicht erreichbar.

Bei Facebook hatte es im Frühjahr 2019 einen großflächigen Ausfall gegeben, der dem Konzern zufolge auf einen Fehler bei der Server-Konfiguration zurückging. Die Störung vom Montag war jedoch in Ausmaß und Dauer außergewöhnlich.

Eine Frage ist, ob der Ausfall Facebook-Werbekunden veranlassen wird, über Alternativen nachzudenken. Denn gerade viele kleine Unternehmen rund um die Welt verlassen sich auf Facebook, um Kunden anzulocken. Für sie bedeutete die Störung verlorenes Geschäft. Der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW) erklärte, für einen kurzen Zeitraum lasse sich ein solcher Ausfall kompensieren.

Mit dem WhatsApp-Ausfall griffen viele in Deutschland auf die altbewährte SMS zurück. Die Deutsche Telekom verzeichnete acht Mal mehr dieser Kurznachrichten als sonst, Telefónica drei Mal mehr.

Die Facebook-Aktie schloss am Montag mit einem Minus von knapp fünf Prozent. Auch danach war das Unternehmen an der Börse immer noch rund 920 Milliarden Dollar wert. Das persönliche Vermögen von Zuckerberg schrumpfte nach Berechnungen des Finanzdienstes Bloomberg binnen weniger Stunden um mehr als sechs Milliarden Dollar. Mit noch 121,6 Milliarden Dollar rutschte er demnach um einen Platz nach hinten auf den fünften Rang hinter Microsoft-Gründer Bill Gates. Nachdem die Störung behoben war, legte der Kurs der Facebook-Aktie im vorbörslichen Handel am Dienstag zeitweise um 0,7 Prozent zu.

Von Andrej Sokolow, dpa