23. April 2024

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Nach 20 Monaten: Airlines setzen auf US-Comeback

Ab der kommenden Woche ist es für geimpfte EU-Bürger wieder möglich, in die USA zu fliegen. Für Flughäfen und Airlines hängt vieles an diesem wichtigen Markt.

Wenn an diesem Montag (8. November) das coronabedingte US-Einreiseverbot für Europäer aufgehoben wird, schlägt auch die Stunde der Wahrheit für den europäischen Luftverkehr.

Mit der nach 20 Monaten wieder erlaubten Einreise für vollständig geimpfte und zusätzlich getestete EU-Passagiere soll die seit März 2020 andauernde Corona-Flaute enden. Die Airlines berichten von starken Vorausbuchungen und hoffen auf einen enormen Nachholbedarf bei Geschäftsreisenden wie auch bei Privatleuten. In den USA bereiten sich Flughäfen und Tourismuswirtschaft auf die Rückkehr der europäischen Gäste vor.

Die Bedeutung des Nordatlantik-Marktes ist für die Lufthansa und die anderen europäischen Netz-Carrier Air France-KLM und British Airways kaum zu überschätzen. Die großen Drei haben sich in der Vergangenheit den Markt zu einem sehr großen Teil gemeinsam mit ihren jeweiligen Joint-Venture-Partnern aus den USA aufgeteilt. Lufthansa beispielsweise kooperiert mit United und Air Canada und macht in normalen Zeiten rund die Hälfte ihres Langstreckengeschäfts über dem Atlantik. Weder staatlich subventionierte Golf-Airlines noch allzu viele Billigflieger störten dabei die lukrativen Kreise. Zuletzt scheiterte das Langstrecken-Geschäftsmodell der Norwegian.

Buchungen schnellen wieder nach oben

Lufthansa hatte ihre US-Flüge im ersten Corona-Schock nur kurzfristig unterbrochen. US-Bürger, Diplomaten, Türken, Araber und Menschen anderer Nationen fielen nicht (mehr) unter den noch von Donald Trump verkündeten Einreise-Bann, zusätzlich sorgte die teure Fracht für Deckungsbeiträge. Wenn nun die EU-Bürger hinzukommen, schnellen die Buchungen auf gut 80 Prozent des Vorkrisen-Niveaus, so die Lufthansa.

Neben dem Nachholbedarf der Privatreisenden zeige die Erfahrung mit US-Unternehmen, dass auch die Geschäftsreisen deutlich stärker wieder zurückkämen als erwartet, hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr erklärt. Folglich geht der Kranich-Konzern mit 200 Flügen in der Woche zu 17 verschiedenen US-Zielen an den Start. Man fliege häufiger nach Chicago als zu sämtlichen Zielen in Indien und China zusammen, sagte Spohr.

Im Vorkrisenjahr 2019 beförderten die Netzwerk-Airlines der Lufthansa gut 12,3 Millionen Passagiere im Verkehrsgebiet Amerika. Die Erlöse betrugen 7,1 Milliarden Euro, ein Drittel des gesamten Verkehrsumsatzes. Nirgendwo verkaufte der Konzern mehr Sitzkilometer (95 Milliarden) bei einer gleichzeitig sehr hohen Auslastung der Flugzeuge von 85,5 Prozent.

Florida und Honululu liegen im Trend

Mit den neuen Einreise-Regeln verlassen am Montagmorgen um 09.50 und 10.50 Uhr die ersten Lufthansa-Jets den Frankfurter Flughafen Richtung Miami und New York. Den ersten Start des Tages in die USA absolviert Singapore Airlines um 8.20 Uhr. Es folgen United um 08.40 Uhr nach Chicago und bei Condor um 11.15 Uhr eine um drei Tage vorgezogene Boeing 767 ebenfalls nach New York. Der Ferienflieger steuert im Winter regelmäßig New York an der Ostküste und Seattle an der Westküste an, wo Partner-Airlines Umsteiger weitertransportieren. Im Trend lägen Florida und Honolulu, sagt Condor-Sprecherin Magdalena Hauser, die ein großes US-Programm für den Sommer 2022 ankündigt.

Der Luftfahrt-Experte Gerald Wissel erwartet zunächst eine starke Nachfrage. «Es gibt einen hohen Nachholbedarf, und auch die Firmen werden ihre Leute wieder in die USA schicken, um die dortigen Kunden nicht zu verlieren.» Lufthansa-Chef Spohr ist in den vergangenen Wochen nicht müde geworden, eine schnelle und dauerhafte Rückkehr des Geschäftsreiseverkehrs zu beschwören.

Zugleich könnten sich die Airlines aus verschiedenen Gründen zurückhalten, ihr Angebot schnell wieder zu erweitern. So fehle es an einsatzbereiten Jets und Crews. «Das wieder hochzufahren ist hochkomplex und zeitintensiv», sagt Airborne-Berater Wissel. Er erwarte daher, dass sich die Gesellschaften auf beiden Seiten des Atlantiks zunächst belauern und im Zweifel kleinere Flugzeuge einsetzen, die einfacher gefüllt werden können. Die Ticketpreise blieben dann zunächst eher hoch. Allerdings dürfen die Airlines dabei besonders bei den Passagieren zwischen Asien und Nordamerika nicht den Wettbewerb im Nahen Osten und der Türkei aus den Augen verlieren.

Auch US-Airlines erleichtert über Ende des Einreise-Stopp

Die US-Fluggesellschaften konnten die Krise zwar wegen ihres großen Heimatmarkts besser abfedern als einige europäische Rivalen, doch auch hier sorgt das Ende der Einreisesperre für große Erleichterung. «Nach der Ankündigung des Weißen Hauses haben wir einen sofortigen Anstieg der Flugbuchungen in mehrere unserer entscheidenden internationalen Märkte erlebt», sagte Top-Manager Robert Isom von American Airlines jüngst bei einer Schalte mit Investoren. So hätten die Buchungen nach Großbritannien quasi über Nacht um 66 Prozent und die nach Kerneuropa um 40 Prozent zugelegt. «Es gibt eindeutig eine große aufgestaute Nachfrage», so Isom.

Andere große US-Airlines wie Delta und United hoffen ebenfalls auf Schub. Doch laut Experten bleiben die Unternehmen zunächst abwartend und vorsichtig – auch angesichts Personalmangels und logistischer Herausforderungen. «Die Frühindikatoren deuten darauf hin, dass die US-Fluggesellschaften nicht planen, ihre Kapazitäten angesichts der Wiedereröffnung des transatlantischen Marktes in der kommenden Woche stark zu erhöhen», meint John Grant vom Analysehaus OAG.

Auch der deutsche Flughafenverband ADV hält die Wiederbelebung des US-Markts für entscheidend und verweist auf die jährlich mehr als 10 Millionen Passagiere, die vor der Pandemie jährlich zwischen Deutschland und den USA unterwegs waren. Den größten Handlungsbedarf sieht Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel bei einem vollständig digitalisierten globalen Standard zur Überprüfung des Gesundheitszustands, um das Passagieraufkommen bewältigen zu können.

Von Christian Ebner und Hannes Breustedt, dpa