19. März 2024

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Politik sucht Weg für Befreiungsschlag bei Strompreisen

Eine gute Nachricht gibt es angesichts hoher Energiekosten: Die EEG-Umlage sinkt. Die neue Bundesregierung aber steht vor großen Aufgaben, um dauerhafte Entlastungen hinzubekommen.

Strom, Gas, Benzin, Diesel: Steigende Energiekosten sind ins Zentrum der politischen Debatte gerückt.

Immerhin sinkt nun im kommenden Jahr die EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien – der große Befreiungsschlag ist das aber nicht. Denn unterm Strich wird die Stromrechnung wohl nicht günstiger, weil es an anderer Stelle Preissteigerungen gibt.

Als ein zentraler Hebel für dauerhafte Entlastungen soll deswegen die EEG-Umlage abgeschafft werden. SPD, Grüne und FDP kündigten am Freitag nach ihren Sondierungen in einem Papier an: «Im Laufe der Legislaturperiode werden wir die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis so schnell wie möglich beenden. Damit senken wir die Stromkosten für private Haushalte und Betriebe.» FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte: «Wir müssen aufpassen, dass die Energiekosten nicht ins Unermessliche steigen.»

Wann genau die Umlage aber komplett weg sein soll, sagten die drei Parteien nicht. Und auch nicht, wie genau das finanziert werden soll. Zwar sind die Förderkosten für die erneuerbaren Energien gesunken, aber um die 20 Milliarden Euro dürfte ein Wegfall der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz wohl kosten – pro Jahr. Finanziert werden könnte dies durch steigende Einnahmen aus der CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmebereich.

Der noch amtierende Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach sich dafür aus, die EEG-Umlage bereits zum 1. Januar 2023 komplett abzuschaffen. «Die gesunkene EEG-Umlage 2022 darf nicht als Einmaleffekt verpuffen», sagte Altmaier am Freitag. Nach einer Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende würde bei einer vollständigen Abschaffung der EEG-Umlage im Jahr 2023 der Strompreis erstmals seit dem Jahr 2000 wieder sinken.

Mit der Umlage wird der Ökostromausbau finanziert. Durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten Betreiber von Anlagen, die Ökostrom erzeugen, für die Dauer von 20 Jahren festgelegte Vergütungssätze für den erzeugten und eingespeisten Strom von den Übertragungsnetzbetreibern. Im nächsten Jahr sinkt die Umlage auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren. Sie liegt dann bei 3,723 Cent pro Kilowattstunde und damit um 2,777 Cent niedriger als in diesem Jahr, wie die Betreiber der großen Stromnetze am Freitag bekanntgaben.

Dazu trägt auch ein Bundeszuschuss von 3,25 Milliarden Euro bei. Für 2021 hatte der Bund die Umlage mit Milliarden-Steuergeldern stabilisiert, sie wäre sonst stark gestiegen. Der wichtigste Grund für die Senkung der Umlage 2022 ist neben dem Bundeszuschuss das hohe Niveau der Börsenstrompreise: Steigende Vermarktungserlöse für den Erneuerbaren Strom reduzieren den Förderbedarf erheblich.

Allerdings ist die EEG-Umlage nur ein Bestandteil des Strompreises – und der durchschnittliche Strompreis für Haushalte liegt nach Angaben des Vergleichsportals Verivox im Oktober bei 31,38 Cent pro Kilowattstunde und damit höher als jemals zuvor. In der Energiebranche wird damit gerechnet, dass eine sinkende EEG-Umlage die Strompreise zwar insgesamt stabilisiert, die Stromkosten aber unterm Strich nicht sinken. Auf der anderen Seite nämlich sind etwa Beschaffungskosten, die die Energieversorger für Strom zahlen müssen, deutlich gestiegen. Dazu kommen die Netzentgelte, die laut Verivox-Analysen im kommenden Jahr steigen.

Grund für steigende Netzentgelte sind unter anderem hohe Investitionen in den Ausbau der Stromnetze – damit der vor allem im Norden produzierte Windstrom in den Süden kommt. Der Netzausbau aber ist zuletzt genauso wie der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne nicht schnell genug vorangekommen. Als Hauptgründe gelten: Lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, zu wenig Flächen, Konflikte zwischen Artenschutz und Ausbau.

SPD, Grünen und FDP wollen es sich nun zu einer «gemeinsamen Mission» machen, den Ausbau der erneuerbaren Energien drastisch zu beschleunigen und alle Hürden und Hemmnisse aus dem Weg zu räumen. Auch mit der Errichtung moderner Gaskraftwerke soll der im Laufe der nächsten Jahre steigende Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen gedeckt werden.

Das soll auch Voraussetzung dafür sein, was ein «großer Wurf» in Sachen Klimaschutz wäre: ein schnellerer Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohleverstromung. Im Sondierungspapier heißt es: «Zur Einhaltung der Klimaschutzziele ist auch ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohleverstromung nötig. Idealerweise gelingt das schon bis 2030.»

Die «Ampel»-Sondierer wollen, dass für die Windkraft an Land zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. Schon das aber wird ein Kraftakt. Neue Zahlen des Umweltbundesamts zeigen, dass aktuell bundesweit 0,8 Prozent der Landesflächen planerisch für eine Nutzung durch die Windenergie festgelegt sind. Durch Einschränkungen wie Mindestabstände zu Wohnsiedlungen aber verringere sich die verfügbare Fläche auf einen Anteil von 0,52 Prozent der Landesfläche. Dazu kommt ein Akzeptanzproblem: Windparks sorgen vor Ort oft für Proteste. SPD, Grüne und FDP streben daher an, dass die Kommunen von Windenergieanlagen auf ihrem Gebiet finanziell «angemessen» profitieren sollen.

Ums Geld geht es auch bei einem anderen Aufregerthema: den steigenden Spritpreisen. Der noch amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will eine «Spritpreisbremse». Er forderte Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf, für den Fall weiter heftig steigender Energie- und Kraftstoffpreise kurzfristig wirksame Gegenmaßnahmen vorzubereiten. Sollte der normale Benzinpreis in diesem Jahr noch die 2-Euro-Marke überschreiten, wäre dieser Anstieg in kürzester Zeit für viele Menschen nicht mehr tragbar, so Scheuer. Bürger sowie Unternehmen müssten dann finanziell entlastet werden.

Von Andreas Hoenig, dpa