28. März 2024

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Sinkende Energiepreise: Deutlich mehr Anbieterwechsel

Anbieterwechsel bei Strom und Gas sind 2022 zum Erliegen gekommen. Seit einigen Wochen sind die Großhandelspreise wieder gefallen. Haben Haushalte jetzt wieder mehr Auswahl?

Die Strom- und Gaspreise für Haushalte kannten im Zuge der Energiekrise im vergangenen Jahr zumeist nur eine Richtung: aufwärts. Wer wechseln wollte, hatte oft keinen Erfolg: «Viele Neukundenverträge wurden infolge des plötzlichen massiven Preisanstiegs an den Handelsmärkten deutlich teurer als Bestandskundenverträge», sagt Energiemarktexperte Mirko Schlossarczyk von der Beratungsfirma Enervis.

Auch hätten viele Energieversorger aufgrund des unsicheren Marktumfelds gar keine Neukunden mehr angenommen. Schließlich seien auch Verbraucherinnen und Verbraucher durch Insolvenzen von Billiganbietern höchst verunsichert gewesen. Für Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen steht fest: «Im Jahr 2022 ist der Anbieterwechsel zum Erliegen gekommen.»

Günstigere Tarife

Doch wie ist es aktuell, nachdem die Großhandelspreise für Strom und Gas in den vergangenen Wochen gesunken sind? «Derzeit sind Neukundenverträge tendenziell günstiger als Bestandskundenverträge», sagt Schlossarczyk. Die Vergleichs- und Vermittlungsportale Check24 und Verivox, die ihr Geld unter anderem mit Provisionen der Energieunternehmen verdienen, bestätigen das: «In jüngster Zeit sind die Neukundenpreise für Strom und Gas regelrecht eingebrochen», sagt Verena Blöcher von Verivox. Gleichzeitig seien die Preise der Grundversorger deutlich gestiegen. «Mit der Rückkehr des Sparpotenzials beobachten wir auch wieder eine deutliche Zunahme der Wechselaktivitäten.»

Check24 geht noch weiter: «Das Wechselvolumen ist innerhalb weniger Wochen deutschlandweit auf Vorkrisenniveau gestiegen», sagt Energie-Geschäftsführer Steffen Suttner. «Im Januar 2023 war die Anzahl der Wechsel sogar auf Rekordniveau und damit ähnlich hoch wie im Januar 2021.»

Zahl der Anbieter wieder gestiegen

Doch wie groß ist das Angebot? Aus wie vielen Tarifen können Haushalte durchschnittlich bei Strom und Gas wählen? Sieverding schätzt die aktuelle Zahl auf 50 bis 60 verschiedene Tarife nach nur rund 20 auf dem Höhepunkt der Energiekrise im vergangenen Jahr. Vor der Krise seien es allerdings 120 bis 130 verschiedene Tarife gewesen, bei Strom sogar noch mehr, sagt der Energieexperte.

Check24 sieht auch eine gestiegene Anbieterzahl: «Es sind wieder mehr als doppelt so viele Anbieter bei uns im Vertrieb tätig als noch vor einem Jahr», sagt Suttner. Auch Verivox stellt «wieder viel mehr Angebote als noch vor zwei Monaten» fest. Die Anbieterzahl für Strom und Gas sei aber noch nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau, «sondern bei rund 80 Prozent». Das Angebot sei allerdings je nach Region sehr unterschiedlich.

Laut Suttner sind auch wieder Stadtwerke mit von der Partie, nachdem ihre überregionalen Tarifangebote im vergangenen Jahr abgenommen hatten. Derzeit starteten Stadtwerke fast täglich wieder mit dem Neukundenvertrieb, sagt er und stellt insgesamt fest: «Durch die erhöhte Anzahl an Anbietern ist der Wettbewerbsdruck gestiegen und die Preise deutlich gesunken.» Einen «vernünftigen Wettbewerbsdruck» hatte sich jüngst Netzagentur-Präsident Klaus Müller gewünscht, «damit letztendlich irgendwann Preise auch wieder sinken können».

In Wartestellung

Die Experten gehen davon aus, dass nicht alle Wechselwilligen dies sofort tun: «Prognosen insbesondere weiter sinkender Gaspreise könnten dazu führen, dass einige Verbraucher auch noch abwarten und auf ein weiter sinkendes Gaspreisniveau spekulieren», sagt Schlossarczyk.

Auch böten die Preisbremsen bei Strom und Gas bis nach dem Winter 2024 eine gewisse Sicherheit, was den weiteren Kostenanstieg betreffe. «Das mindert möglicherweise den Anreiz, zu wechseln.» Auch Sieverding hält es für möglich, dass es noch einen «weiteren Entlastungsschub» im Großhandel gibt. So könne man etwa bei Gas auch noch vier Wochen warten, «um zu gucken, wie wir durch den Winter kommen».

Bei einem Wechsel solle man sich gut überlegen, zu welchem Anbieter man geht, mahnt der Verbraucherschützer. «Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte ein größeres Unternehmen oder die Tochter eines Stadtwerks wählen.»

Von Helge Toben, dpa