24. April 2024

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Streik zur Urlaubszeit bringt Bahnkunden in Schwierigkeiten

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist mit ihren Streiks nun doch schnell bei der Hand. Bereits in dieser Woche müssen Bahnkunden unter dem nur schwer lösbaren Tarifkonflikt leiden.

Auf die Kunden der Deutschen Bahn kommen schwere Streiktage mit vielen Zugausfällen und Verspätungen zu. Die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) hat nach einer Urabstimmung ihre Mitglieder im Bahnkonzern zu einem Arbeitskampf aufgerufen.

Im Güterverkehr begann der Streik bereits am Dienstagabend. Fern- und Regionalverkehr werden laut der Ankündigung ab Mittwoch, 02.00 Uhr, für 48 Stunden bundesweit bestreikt, so dass die Bahn erst für den Freitag wieder mit einem störungsfreien Verkehr rechnet. Das folgende Wochenende soll verschont bleiben, kündigte die GDL an.

Für Mittwoch und Donnerstag hat die Deutsche Bahn 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen. Priorität haben besonders stark genutzte Verbindungen zwischen Berlin und dem Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Hamburg und Frankfurt sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Ziel sei ein zweistündliches Angebot mit besonders langen Zügen auf den Hauptachsen, kündigte der Staatskonzern an.

Kulanz gegenüber den Fahrgästen

Gegenüber den Fahrgästen wolle man sich kulant zeigen, die Fahrkarten länger gelten lassen oder erstatten. Im Regionalverkehr werde das ebenfalls sehr eingeschränkte Angebot regional sehr stark schwanken. Auch die S-Bahnen dürften betroffen sein.

Man habe in dem festgefahrenen Tarifkonflikt keine anderen Möglichkeiten mehr als den Streik, sagte der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky im Frankfurt. Einwände wegen der hohen Belastungen von Bahn und ihren Kunden durch die Corona-Krise und die Überflutungen ließ der GDL-Chef nicht gelten. «Es gibt keinen richtigen Zeitpunkt für einen Streik bei der Eisenbahn. Bitte wenden Sie sich an das DB-Management», antwortete Weselsky auf eine entsprechende Frage. «Corona oder auch die Flut haben mit diesem Tarifkonflikt nichts zu tun.»

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) appellierte ans Miteinander. Er sagte: «Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten – erst recht nach den harten Monaten der Corona-Pandemie. Deshalb sollten beide Seiten schnellstmöglich an den Verhandlungstisch zurückkehren.»

Die Autoindustrie, die schon jetzt mit Lieferengpässen kämpft, forderte, schnellstmöglich nach Lösungen zu suchen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände warf der Gewerkschaft vor, aus Eigeninteresse die schwierige Erholung der Wirtschaft zu gefährden.

95 Prozent stimmen für Arbeitskampf

Bei der Urabstimmung hatten 95 Prozent der teilnehmenden GDL-Mitglieder für einen Arbeitskampf gestimmt. Damit sei die notwendige Zustimmung von 75 Prozent weit übertroffen worden, erläuterte Weselsky. Die GDL will nach seinen Worten eine Nullrunde im laufenden Jahr nicht akzeptieren, verlangt eine deutliche Corona-Prämie von 600 Euro und Einkommenssteigerungen von insgesamt 3,2 Prozent bei einer Laufzeit von 28 Monaten.

Die Bahn bezeichnete den Streik als «Eskalation zur Unzeit». «Gerade jetzt, wenn die Menschen wieder mehr reisen und die Bahn nutzen, macht die GDL-Spitze den Aufschwung zunichte, den wir in Anbetracht der massiven Corona-Schäden dringend brauchen», teilte Personalchef Martin Seiler mit. Er kritisierte, die GDL habe sich nicht an ihre Ankündigung gehalten, den Kunden ausreichend Vorlauf vor dem Streikbeginn zu lassen. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn nannte die Streikankündigung «deutlich zu kurzfristig».

Die Konkurrenten der Bahn werden nicht bestreikt. Folgen des Arbeitskampfes könnten aber auch sie treffen. So erklärte der GDL-Bezirk Nord, dass die regionalen Auswirkungen noch nicht absehbar seien. «Aber wir haben mit Sicherheit eine hohe Beteiligung aus allen Bereichen. Auch die Kolleginnen und Kollegen bei DB Netz und bei DB Station und Service sind arg unzufrieden.» Der Arbeitskampf könnte wegen fehlenden Personals etwa in Bahnhöfen oder im Verkehrsmanagement daher ebenso Folgen für Wettbewerber haben.

«Wir führen einen Tarifstreit um Zeit und Geld», erklärte Weselsky. Im Hintergrund steht aber der komplexe Machtkampf mit der weit größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) um die rund 200.000 Beschäftigten im Bahnkonzern. Diese sind in rund 300 Einzelbetrieben tätig, in denen laut Tarifeinheitsgesetz jeweils herausgefunden werden muss, welche Gewerkschaft dort mehr Mitglieder hat und dann maßgeblich die Tarifverträge abschließen kann.

Die GDL will sich keinesfalls mit den lediglich 16 Betrieben zufriedengeben, die eine erste Zählung des Arbeitgebers ergeben hat. Neben juristischen Schritten setzt sie auf massive Mitgliederwerbung, die im ersten Halbjahr mehr als 3000 Beitritte gebracht habe. Es sei klar, dass man für Werkstätten und Fahrdienstleitungen künftig Tarifverträge abschließen werde, kündigte Weselsky an. Berichte über eine angeblich knappe Streikkasse wies er als «Latrinenparolen» zurück. «Das ist ausreichend für lange, lange Streiks. Wir haben aber nicht vor, das auszukosten.»

EVG-Chef Klaus-Dieter Hommel warf der Konkurrenz-Gewerkschaft prompt vor, den Bahnkonzern spalten zu wollen. Die harte Tarifauseinandersetzung solle jetzt doch noch für mehr Mitglieder bei der GDL sorgen. «Diese GDL kämpft um ihr Überleben und nimmt dabei den Verlust von Arbeitsplätzen und die Verschlechterung von Beschäftigungsbedingungen in Kauf», sagte Hommel. Es sei «höchste Zeit», dass alle Beteiligten Verantwortung übernähmen und an den Verhandlungstisch kommen.

Erster Streik seit 2018

Der Ausstand der Lokführer ist der erste Streik bei der Bahn seit Dezember 2018, als die EVG ihre Mitglieder zum Arbeitskampf aufrief. Weitaus härter verlief der GDL-Streik 2014 und 2015. In acht sich steigernden Wellen legten die Lokführer unter Weselskys Führung die Arbeit nieder und weite Teile des Streckennetzes lahm.

Die EVG hatte schon im vergangenen Herbst einen Tarifabschluss mit der Bahn unterschrieben. Dieses Jahr gab es eine Nullrunde. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Sollte die GDL mit ihren Forderungen durchkommen, müsste die Bahn mit der EVG wohl nachverhandeln.

Von Christian Ebner und Burkhard Fraune, dpa