19. März 2024

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Tui-Chef Fritz Joussen: Weiter gute Sommer-Signale

Die Erholung des Tourismus verläuft wegen der Corona-Lage zäher als vermutet. Für Tui-Chef Joussen hängt jetzt vieles an einer möglichst raschen «Durchimpfung» - sofern genügend Menschen mitmachen.

Für so manchen Reiseanbieter droht es mit dem Sommergeschäft 2021 eng zu werden – Tui-Chef Fritz Joussen hält ein rechtzeitiges Anziehen der Buchungen bei weiteren Impffortschritten aber für möglich.

«Ich weiß nicht, was die Politik in den nächsten Wochen entscheidet», sagte er der Deutschen Presse-Agentur zur Diskussion über einheitliche Corona-Regeln und die Urlaubschancen im Land der «Reiseweltmeister». «Was ich aber sehe, sind einige gute Signale und Entwicklungen – in Heimat- wie Zielländern der Kunden.»

In etlichen Regionen bestehe Grund zur Zuversicht: «Israel ist offen. In England ist die Inzidenz 30, es gibt nur noch wenige Sterbefälle. In den USA und Kanada zieht das Geschäft zurzeit am stärksten an.»

Der weltgrößte Touristikkonzern aus Hannover – im vorigen Jahr schwer von der Pandemie getroffen und mit Milliarden vom Staat gerettet – muss 2021 wieder mehr Umsatz machen. Grundsätzlich gebe es trotz der wackligen Lage Hoffnungszeichen: «Die mittelfristigen Buchungen für Reisen in drei bis fünf Monaten – etwa die Karibik, aber auch einige Kreuzfahrten – sind deutlich angestiegen in den letzten Wochen.»

Tui hatte im März wieder Urlaub auf Mallorca angeboten. Viele deutsche Kunden flogen auf die Balearen-Insel. Es gab jedoch auch Kritik, zumal daheim nach wie vor ein weitgehender Tourismus-Lockdown herrscht. Joussen verteidigte die Teilöffnung in Spanien: «Wenn Sie in einen Flieger nach Mallorca steigen, wo es eine niedrige Inzidenz gibt, werden Sie nach der Rückkehr keine größere Ansteckungsgefahr für andere sein, als wenn Sie zu Hause geblieben wären.»

Die eigenen Mallorca-Buchungen hätten über den Werten der Vorjahre gelegen. Ein Sondereffekt dabei: «Die Menschen sind dorthin geflogen, weil die Inzidenzwerte um 30 extrem niedrig sind und sonst kaum andere Ziele zu Hause und im Mittelmeerraum zur Verfügung standen.» Meist seien im Winter und über Ostern eher die Kanaren gefragt.

Joussen bekräftigte, entscheidend seien nicht nur mehr Tests, sondern vor allem mehr Impfungen. «Wir müssen die Durchimpfung schnell hinkriegen.» Noch im April werde wohl auch in der Bundesrepublik bereits ein wachsendes Angebot vorliegen. «Wenn nicht alles völlig schief läuft, könnte es im Mai oder Juni dann eine erste Phase geben, in der es in Deutschland mehr Impfangebote als Impfwillige gibt.»

Auf dem Weg zur Rückzahlung erster Staatshilfen solle die Ausgabe der neuen Wandelanleihe eine mögliche Voretappe darstellen – gesetzt den Fall, dass auch die Buchungen und die entsprechenden Anzahlungen der Kunden in den kommenden Monaten so zurückkehren wie erhofft.

Das am Freitag ausgegebene Papier sei zweifach überzeichnet gewesen, berichtete Joussen. Einen Zinssatz von 5 Prozent am freien Markt könne man durchaus zufriedenstellend nennen – so lasse sich die Refinanzierung des Unternehmens leichter organisieren. Im Juli 2022 würden für Tui die ersten Kredite fällig. «Wir konnten jetzt eine Duftmarke dafür setzen, wie wir die Umschuldung hinbekommen.»

Joussen betonte, dass sich die Gesamt-Finanzierungslage schon weitaus weniger gefährlich zeige als noch vor einem Jahr. «Vor dem ersten Lockdown war klar: Wir hätten am Markt gar nichts bekommen. Alle haben nur die Schotten dicht gemacht. Heute sind wir ein deutliches Stück weiter.» Dazu habe auch die Kapitalerhöhung im Januar beigetragen. Rückzahlungen an den Wirtschaftsstabilisierungsfonds würden so bald wie machbar angepeilt – sie könnten «möglicherweise sehr schnell anlaufen, sobald das Geschäft wieder losgeht».

Tausende Menschen im Konzern sind derzeit noch in Kurzarbeit. Joussen schätzt, dass es im Fall einer Aufhellung über das Frühjahr wieder deutlich mehr Vollzeit-Beschäftigung geben kann. «Im Augenblick haben wir den Fuß auf der Kostenbremse.» Parallel zur Krisenbewältigung müsse Tui indes auch den eigenen Umbau fortführen: «Wir wollen ab dem Geschäftsjahr 2023 dauerhaft 400 Millionen Euro pro Jahr einsparen, ohne Kompromisse beim Wachstum und bei der Qualität zu machen.»

Die Digitalisierung gehe voran, der mit den Gewerkschaften lange umkämpfte Kompromiss für Tuifly leiste wichtige Spar- und Strukturbeiträge. Hinzu komme die IT-Erneuerung. «Dabei werden zum Beispiel viele alte Systeme nach der Krise nicht mehr hochgefahren, die Prozesse laufen dann auf der neuen IT sukzessive wieder an.»

Ohne Krise sei das wohl noch nicht denkbar gewesen. «Wenn die Buchungen wieder stärker reinkommen und wir auch den Betrieb wieder richtig aufnehmen, dann müssen wir sehr schnell in der Lage sein, die Firma hochzufahren. Das Instrument der Kurzarbeit wirkt sehr gut.»

Im Kreuzfahrtgeschäft zeige sich das Kundeninteresse recht stabil. «Die Buchungen für das Ende des Jahres laufen gut. Die Kunden hoffen, dass die Pandemie dann vorbei ist.» Kurz-Kreuzfahrten funktionierten bei den Reedereien in Europa, so Joussen. «Aber auch in den USA zieht die Nachfrage an – die längeren Touren in den USA und der Karibik.» Etwas schwieriger zu beurteilen sei die Situation in vielen eigenen Hotels: «Die Auslastung hängt natürlich stark vom Zielland ab.»

Insgesamt gibt sich die Branche aktuell eher verhalten, sie stellt sich auf ein weiteres schwieriges Corona-Jahr ein. Die Buchungen für 2021 seien deutlich schlechter als die schon schlechten Zahlen vom Vorjahr, sagte Michael Frenzel, früher selbst Tui-Lenker und nun Chef des Bundesverbands der Deutschen Tourismuswirtschaft, der «Welt am Sonntag»: «Für die Sommersaison liegen die Buchungen gemessen am Umsatz um 76 Prozent unter den Zahlen im Vorjahreszeitraum.» Im Frühjahr hätten die Stornierungen die Buchungen weiter übertroffen.