28. März 2024

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Was die Wirtschaft von einer neuen Regierung erwartet

Die SPD will eine «Fortschrittskoalition», die Union eine «Zukunftskoalition». Digitalisierung, Bürokratie, Energiekosten: Aus Sicht der Wirtschaft liegt vieles im Argen.

In der deutschen Wirtschaft wird gespannt, aber auch etwas unsicher auf die Regierungsbildung geschaut: Wie lange dauern die Verhandlungen, welches Bündnis kommt zustande, welchen Kurs verfolgt dieses dann in zentralen Fragen?

Die Wunschliste von Verbänden ist lang. «Die Wirtschaft braucht jetzt einen spürbaren Investitionsruck in Deutschland», sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Peter Adrian, am Mittwoch in Berlin. Was zu den Kernforderungen zählt:

Mehr Tempo bei der Digitalisierung

Eine am Mittwoch vorgestellte Befragung der Industrie- und Handelskammern bei 3500 Betrieben ergab als Top-Priorität für eine neue Bundesregierung: die Digitalisierung vorantreiben. Den Ausbau der digitalen Infrastruktur etwa bei Glasfaserleitungen bewerteten die Betriebe als schlecht. Die Digitalisierung aber sei «ein entscheidender Wachstumstreiber und für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland von großer Bedeutung», heißt es in der DIHK-Auswertung. Dazu gehöre: Verwaltungsleistungen müssten verbessert und beschleunigt werden.

«Ohne eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und eine schnelle Verwaltung werden die Unternehmen ihre großen Zukunftsaufgaben hierzulande ebenso wie im weltweiten Wettbewerb nicht bewältigen können», sagte Adrian. Der Digitalverband Bitkom fordert ein Digitalministerium, das bei Kernprojekten die Federführung übernehmen müsse. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hatte bereits im März in einem Positionspapier geschrieben, es müsse einen «radikalen Wandel in der deutschen Amtsstube» geben. Behörden seien in weiten Teilen völlig ungenügend digital fit.

Hohe Energiepreise

Angesichts der im internationalen Vergleich hohen Energiekosten sei die Belastungsgrenze bei vielen Unternehmen erreicht oder überschritten, heißt es in dem DIHK-Papier zur Firmenbefragung. Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms müsse abgeschafft werden. Das fordert etwa auch die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae: «Das entlastet Verbraucherinnen und Verbraucher und macht zugleich grünen Strom in den Bereichen Verkehr und Wärme wettbewerbsfähiger.» Eine Abschaffung der EEG-Umlage kostet allerdings viele Milliarden.

Klimaschutz

In der Wirtschaft heißt es, viele Firmen stünden hinter dem Ziel der Treibhausgasneutralität in Deutschland bis 2045 und seien bereits unterwegs. Nur: die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Seit langem fordert zum Beispiel die Autoindustrie, es brauche mehr Tempo beim Aufbau des Ladenetzes für Elektroautos. DIHK-Präsident Adrian sagte vor dem Hintergrund steigender CO2-Preise, die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Firmen dürfe nicht auf der Strecke bleiben. Es müsse ein gemeinsames internationales Vorgehen und intensive Abstimmungsprozesse zwischen der EU, den USA und China geben.

Beim Industrieverband BDI hieß es im Juli nach der Verschärfung von Klimazielen durch die Politik, dies erhöhe die notwendigen Milliardeninvestitionen noch einmal enorm. Unternehmen müssten dabei eine Schlüsselrolle spielen. «Dafür brauchen sie einen berechenbaren Planungshorizont, finanzielle Unterstützung und Schutz vor unfairem Wettbewerb.»

Eine Schlüsselrolle gerade für energieintensive Unternehmen spielt der Ausbau des Ökostroms aus erneuerbaren Energien sowie der Bau neuer Stromnetze, der derzeit vor allem wegen langer Planungs- und Genehmigungsverfahren nicht vorankomme. Im Mai etwa hatte der Chef des Chemiekonzerns BASF, Martin Brudermüller, gesagt: «Ohne ausreichende Mengen an Strom aus erneuerbaren Quellen zu wettbewerbsfähigen Preisen kann die vor uns liegende Transformation nicht gelingen.»

Steuern und Bürokratie

Seit langem beklagt die Wirtschaft eine im internationalen Vergleich hohe Steuerlast für deutsche Firmen – und zu viel Bürokratie. Im DIHK-Papier heißt es, eine steigende Steuerbelastung und viel Bürokratie bei der Administration der staatlichen Abgaben belasteten die Wettbewerbsfähigkeit. Außerdem sprach sich Adrian für bessere Abschreibungsbedingungen aus, um Investitionen zu erleichtern.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände forderte in einem Plan ein «Entfesselungsprogramm» für die Wirtschaft mit einer umfangreichen Entbürokratisierung: «Schwerpunkte sollten ein Planungsrecht sein, das Investitionen beschleunigt und nicht verhindert, sowie eine schnellere Digitalisierung der Verwaltung.» In der Steuerpolitik wird etwa gefordert, den Solidaritätszuschlag vollständig abzuschaffen.

Von Andreas Hoenig, dpa