Friseur-Azubis lernen nur noch an Übungsköpfen, die Berufsschule lehrt über das Internet – Corona hat auch die Berufsausbildung hart getroffen.
Verbände und Gewerkschaften machen sich große Sorgen um die Zukunft der Jugendlichen und auch der Betriebe. «Wir müssen eine Generation Corona unter allen Umständen verhindern», sagte die zweite Vorsitzende der IG Metall, Christiane Benner, der Deutschen Presse-Agentur.
Wenn gegen die aktuelle Entwicklung in der Ausbildung nicht weiter konsequent etwas getan werde, habe das massive Auswirkungen, sagte sie: kurzfristig für die Jugendlichen, die keinen Ausbildungsplatz fänden, mittelfristig für die Unternehmen, denen schon bald die Fachkräfte fehlten. Und langfristig auf die Gesellschaft, «die sich vorwerfen muss, einer ganzen Generation eine Zukunftsperspektive versagt zu haben», sagte Benner.
Viele Jugendliche hätten bereits jetzt gut die Hälfte ihrer Ausbildung im Ausnahmezustand gelernt, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Elke Hannack. Dazu gehört auch, dass Berufsschulen zeitweise auf Distanzunterricht umgestellt haben. «Auch hier werden viele Inhalte nicht oder nur unzureichend vermittelt», sagte Hannack.
Dem Präsidenten des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, zufolge gebe es keine Anzeichen dafür, dass Auszubildende schlechter qualifiziert würden. «In den meisten Betrieben kann unter Beachtung der Hygiene- und Abstandsvorgaben weitergearbeitet und auch weiter ausgebildet werden.» Ausbilder und Azubis, die von Kontaktbeschränkungen besonders betroffen seien, suchten nach pragmatischen Lösungen. «Da schalten sich beispielsweise Friseur-Ausbilder und Azubis über WhatsApp-Gruppen zusammen und tauschen sich über die Ergebnisse von Übungen an Übungsköpfen aus.»
Wie der ZDH hat auch der DGB die Prüfungen der Jugendlichen im Blick. Einig sind sich beide Organisationen darin, dass die Auszubildenden mehr Unterstützung brauchen. Diese könne von den Kammern, aber auch mithilfe der Gewerkschaften und der Berufsschulen angeboten werden, so Hannack. Betriebe sollten etwa Freistellungen für zusätzliche Lerntage ermöglichen. «Es ist auch im Interesse der Unternehmen, wenn ihre Auszubildenden die Prüfungen gut bestehen», so Hannack.
Ende Januar hatte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen neuen Schutzschirm für Auszubildende ins Spiel gebracht. So sollen etwa Ausbildungsprämien Anreize schaffen, einen hohen Ausbildungsstand in Betrieben zu halten – oder auch zusätzliche junge Leute auszubilden. Für DGB-Vize Hannack ist das Modell zu kompliziert gestrickt. «Deshalb kommt das Geld nicht bei allen Ausbildungsbetrieben und den Auszubildenden an», sagte sie.
Im vergangenen Jahr wurden laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 57.600 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen als im Vorjahr. Das entspricht einem Minus von 11 Prozent. Dies ist nach Einschätzung des BIBB allerdings nicht nur auf die Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen. Schon seit Jahren sinke demnach die Zahl der Schulabgänger und der Ausbildungseinsteiger.
Vor allem fehlende Berufsorientierung in Form von Praktika oder Ausbildungsmessen und die notwendigen Kontakteinschränkungen hätten dazu geführt, dass in der Pandemie weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen worden seien, sagte Handwerkspräsident Wollseifer. Im Handwerk sei der Rückgang gegenüber dem Vorjahr mit einem Minus von 7,5 Prozent moderat ausgefallen. Besonders hart habe es den Tourismus, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie die Veranstaltungsbranche getroffen.
Wie aus einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Anfrage der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, hervorgeht, bildet nicht einmal jeder fünfte Betrieb in Deutschland aus. Das Ministerium stützt sich in seiner Antwort, die der dpa vorliegt, auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. «Es kann nicht sein, dass zunehmend Arbeitgeber über Fachkräftemangel klagen, gleichzeitig aber nur wenige Betriebe ausbilden», sagte die Linken-Politikerin.
Obwohl die Lage auf dem Ausbildungsmarkt schwierig sei, «sollten die Schulabsolventen nicht die Flinte ins Korn werfen», sagte Hannack. «Trotz aller Schwierigkeiten werden in Deutschland auch 2021 noch mehr als 400.000 Auszubildende gesucht.» Auch Wollseifer will Mut machen: «An den guten Zukunftsperspektiven, die sich für junge Menschen im Handwerk eröffnen, hat auch Corona nichts geändert.» Der Fachkräftebedarf bleibe nach der Pandemie hoch.
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