19. April 2024

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Automaten für (fast) alles

Klopapier, Mittagessen oder Sexspielzeug: Immer mehr Waren werden kontaktlos durch Automaten verkauft. Deren Hersteller fürchten in der Pandemie dennoch sinkende Umsätze.

Nicht nur Cola, Chips und Kaffee: Automaten werden auch wegen der Corona-Pandemie in immer mehr Branchen genutzt. «Die Vielfalt wächst», heißt es beim Bundesverband der deutschen Vending-Automatenwirtschaft (BDV).

Besonders nachgefragt seien die Geräte derzeit bei Direktvermarktern wie Milchbauern, Metzgereien und Bäckereien. Sorgen bereitet Herstellern und Betreibern dagegen die hohe Zahl von Mitarbeitern im Homeoffice – wegen verwaister Kaffee-Automaten.

«Die Umsatzzahlen sind vor allem deswegen bescheiden», sagt die BDV-Referentin für Markt- und Produktentwicklung, Sonja Klein. «Bisher hat die Welt von Kaffee gelebt, aber jetzt sind die meisten Mitarbeiter im Homeoffice. Das ist für uns nicht gut.»

Nach Angaben des Verbands dienen 62 Prozent der mehr als 579.000 Getränke- und Verpflegungsautomaten in Deutschland dem Verkauf von Heißgetränken. «Es wird wohl auch in Zukunft mehr Homeoffice geben», sagt Klein. «Daher gehe ich trotz zunehmender Vielfalt nicht davon aus, dass die Gesamtzahl der Automaten in Deutschland dieses Jahr steigen wird.»

Dafür wächst demnach in anderen Branchen das Interesse am Verkauf durch Vending-Automaten. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbands (DBV) verkaufen seit Jahren immer mehr Landwirte zum Beispiel Milch und Eier durch Automaten direkt an ihre Kunden. Genaue Zahlen gebe es dazu aber nicht. «So ein Automat ist ja schnell aufgestellt und wieder abgebaut», sagt eine DBV-Sprecherin.

Vor allem kleinere Betriebe nutzen demnach die Möglichkeit zum Direktverkauf, zum Beispiel an einer «Milchtankstelle» auf dem Hof. Im Vergleich zum gesamten Absatz spiele der Verkauf durch Automaten zwar nur eine kleine Rolle. «Als Landwirt habe ich dabei aber eine deutlich höhere Marge», betont die DBV-Sprecherin.

In Zeiten von Lockdown und Ladenschließungen steigt auch im Einzelhandel das Interesse am Automatenverkauf. «Oft überlegen kleinere Geschäfte, die keinen Online-Verkauf haben, Automaten in Schaufenster einzubauen», sagt die BDV-Verbandssprecherin. «Auch Friseure fragen verstärkt nach, um während der Schließung zum Beispiel Färbemittel zu verkaufen.»

An «der ein oder anderen Stelle» gebe es solche Konzepte bereits, sagt ein Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE). Der Verkauf durch Automaten könne in Corona-Zeiten aber eine größere Rolle spielen: «Schließlich ist das eine den direkten Kontakt zwischen Menschen vermeidende Art des Verkaufs.» Zudem könnten die Händler so auch außerhalb der Öffnungszeiten für Kunden da sein.

Geeignet sind solche Lösungen dem Handelsverband zufolge vor allem für Dinge des täglichen Bedarfs. «Oft sind es Kleinigkeiten, die man klassischerweise auch mal beim Einkauf vergisst, die dann aber dringend benötigt werden», sagt der HDE-Sprecher. Als Beispiele nennt er Batterien, Rasierklingen oder Papier-Taschentücher.

Doch der Kreativität scheinen in Bezug auf Automaten kaum Grenzen gesetzt. Im Kölner Dom können Besucher seit Juli vergangenen Jahres an einem digitalen Opferstock spenden, in Augsburg und München erhalten Kunden an «Maskomaten» Hygieneartikel wie Desinfektionsmittel und in Düsseldorf verkauft ein Hersteller für Toilettenpapier sein Produkt direkt durch einen Automaten. Schon vor der Pandemie wurden auch Spielideen (Dessau), Witze (Jena) und Sexspielzeug (Bamberg) in Automaten angeboten.

Wichtiger sind für die deutschen Hersteller in Zukunft aber weniger abseitige Geschäftsideen. Sogenannte «Micro-Markets», gekühlte Lebensmittelautomaten mit vorbereiteten Mahlzeiten, seien im Moment als Kantinen-Ersatz gefragt, sagt Sonja Klein vom BDV. «In Deutschland startet das aktuell intensiv durch.»

Auch beim Thema Nahversorgung im ländlichen Raum könnten Automaten demnach in Zukunft eine größere Rolle spielen. «Die Wertigkeit von Automaten und das Vertrauen der Kunden ist in Zeiten der Digitalisierung enorm gestiegen», sagt Klein. Einen digitalen Laden ohne Kassierer hat die Supermarktkette Tegut im November 2020 in Fulda bereits im Testbetrieb geöffnet.

Von Frederick Mersi, dpa