30. April 2024

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Bahn-Tarifstreit: Gesprächsabbruch und neue Warnstreiks

Im Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Gewerkschaft GDL ist ein Tiefpunkt erreicht: Nach nur zwei Gesprächsrunden erklärte GDL-Chef Weselsky die Verhandlungen für gescheitert. Auf Fahrgäste kommen stressige Wochen zu.

Die Hoffnung auf eine schnelle Einigung im Tarifstreit der Deutschen Bahn hat sich am Freitag endgültig zerschlagen. Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky erklärte die Tarifverhandlungen mit der Bahn für grundsätzlich gescheitert und kündigte weitere Arbeitskämpfe an. Über Stunden hatten beide Seiten am Vortag und am Freitag in der zweiten Verhandlungsrunde zusammengesessen. Statt zu einer Annäherung führten die Gespräche aber vorerst in die Sackgasse.

«Die Arbeitgeberseite DB lehnt es ab, mit uns über drei Kernforderungen überhaupt zu verhandeln», sagte Weselsky nach dem Scheitern der Gespräche in Berlin. «Wir werden deshalb, nachdem wir die Verhandlungen jetzt scheitern lassen haben, als nächstes mit Warnstreiks den Arbeitgeber weiter unter Druck setzen.» Einen konkreten Zeitpunkt nannte er zunächst nicht. Weselsky verwies auf die gleichzeitig laufende Urabstimmung über unbefristete Streiks unter den eigenen Mitgliedern. Ein Ergebnis soll rund um Weihnachten vorliegen.

Bahn: GDL hat dreiwöchigen Weihnachtsfrieden abgelehnt

Die Ungewissheit auf der Schiene für die Fahrgäste dürfte damit noch Wochen, möglicherweise Monate andauern. Für die Zeit rund um Weihnachten hat Weselsky Arbeitskämpfe zwar ausgeschlossen. Welchen Zeitraum er damit aber genau meint, lässt der GDL-Vorsitzende nach wie vor offen.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler sagte in Berlin, die GDL habe einen dreiwöchigen Weihnachtsfrieden, also eine Zeit ohne Arbeitskampf bei der Bahn, abgelehnt. «Wir haben der GDL ganz konkret vorgeschlagen, dass wir zwischen dem 15. Dezember und dem 7. Januar einen Weihnachtsfrieden einlegen», sagte Seiler. Die Lokführergewerkschaft mit ihrem Chef Weselsky sei dazu aber nicht bereit gewesen. Seiler rief die GDL dazu auf, Klarheit für die Fahrgäste zu schaffen, was mögliche Reisezeiten angeht.

GDL verlangt 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich

Dabei war die zweite Verhandlungsrunde am Donnerstag zunächst überraschend verheißungsvoll angelaufen. Den erwarteten frühen Verhandlungsabbruch gab es nicht. Hart, aber sachlich, zuweilen gar konstruktiv soll die Stimmung dem Vernehmen nach gewesen sein. Weselsky ließ sich den Großteil des Tages über nicht am Verhandlungsort blicken und überließ die Leitung der Gespräche seinem Stellvertreter, Lars Jedinat. Erst am Abend stieß der GDL-Boss dazu. Kurz danach wurden die Verhandlungen auf Freitag vertagt – und fanden dort bereits am Vormittag ein Ende.

Gescheitert waren die Gespräche aus Sicht der Gewerkschaft unter anderem an der Frage der Arbeitszeit. Diese will die GDL für Schichtarbeiter von derzeit 38 auf 35 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich reduzieren. Die Bahn lehnt das grundsätzlich ab. Als weiterer Knackpunkt gilt die Forderung der Gewerkschaft, auch für die Beschäftigten in der Infrastruktursparte der Bahn Tarifverträge abzuschließen. Dort ist bisher ausschließlich die größere, mit der GDL konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) der Tarifpartner.

Ob GDL-Tarifverträge dort überhaupt wirksam würden, ist mehr als fraglich. Das sogenannte Tarifeinheitsgesetz sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der größeren Arbeitnehmervertretung zur Anwendung kommt. In den meisten Bahn-Betrieben ist das die EVG. Über ein Mitglieder-Feststellungsverfahren streitet die GDL derzeit vor den Arbeitsgerichten.

Beginn des nächsten Warnstreiks: Unklar

Wie es nun weitergeht, ist offen. Nahezu sicher ist nur, dass bis zum nächsten Warnstreik nicht viel Zeit verstreichen wird. Bereits in der vergangenen Woche legte die Gewerkschaft mit einem 20-stündigen Arbeitskampf weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland lahm. Dabei lagen 28 Stunden zwischen Ankündigung und Beginn des Warnstreiks.

Ohne dass die Bahn sich beim Thema Arbeitszeit bewegt, dürften die Verhandlungen zunächst nicht wiederaufgenommen werden. «Wir sehen keine Chance, über Kleinigkeiten zu verhandeln, während die großen Dinge von dieser Arbeitgeberseite gar nicht erst verhandelt werden sollen», sagte Weselsky. Eine Schlichtung, bei der mithilfe von externen Vermittlern weiter gesprochen wird, schloss er zu diesem Zeitpunkt aus. «Ein Schlichter entscheidet nicht darüber, ob unsere grundgesetzlich geschützten Rechte zur Anwendung kommen oder nicht.»

Außer einer kürzeren Arbeitszeit fordert die GDL unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Bahn hatte in der ersten Runde elf Prozent höhere Entgelte bei 32 Monaten Laufzeit angeboten sowie die geforderte Ausgleichszahlung. Einig sind sich beide Seiten nur in einem Punkt: Schuld an der aktuellen Misere ist die jeweils andere Tarifpartei.

Von Fabian Nitschmann, Carla Benkö und Matthias Arnold, dpa