27. April 2024

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Bundesregierung will Strompreis für Wirtschaft senken

Monatelang hat die Regierung darum gerungen, wie Strom für die Industrie günstiger werden kann. Die Befürchtung: Große Konzerne könnten sonst abwandern. Jetzt steht ein Konzept.

Die Bundesregierung will den Strompreis für die Wirtschaft durch eine Steuerreform drücken. Geplant ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne, die besonders unter hohen Strompreisen leiden.

«Die Bundesregierung entlastet das produzierende Gewerbe massiv bei den Stromkosten», sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Allein im nächsten Jahr bedeute das eine Unterstützung von bis zu 12 Milliarden Euro. Entscheidend bleibe für den Standort Deutschland aber, dass konsequent der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze vorangetrieben werde.

Stromsteuer runter und Zusatz-Hilfen für Energieintensive

Konkret vereinbarten Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP), dass die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz von 0,05 Cent pro Kilowattstunde fallen soll. Derzeit liegt sie bei rund zwei Cent pro Kilowattstunde. Unternehmen des produzierenden Gewerbes konnten allerdings schon bisher einen reduzierten Satz von 1,537 Cent pro Kilowattstunde geltend machen. Von der Senkung profitieren nicht nur große Industriekonzerne, sondern auch der Mittelstand.

Rund 350 Konzerne, die besonders im internationalen Wettbewerb stehen und unter den hohen Strompreisen leiden, sollen zusätzliche Hilfen erhalten. Die bestehende Strompreiskompensation soll für fünf Jahre verlängert und ausgeweitet werden. Das betrifft unter anderem Unternehmen der Stahl- und Zementbranche. Im Wirtschaftsministerium rechnet man damit, dass sie im kommenden Jahr nur noch einen Strompreis von 6 Cent pro Kilowattstunde zahlen müssen.

Eine weitere Entlastung hatte das Bundeskabinett vor Kurzem beschlossen: So will die Bundesregierung einen Zuschuss zur anteiligen Finanzierung der Übertragungsnetzkosten von bis zu 5,5 Milliarden Euro zahlen. Das soll am Ende auch den Strompreis dämpfen. Netzentgelte sind Gebühren für die Nutzung von Strom- und Gasnetzen, die an die Verbraucher weitergegeben werden.

«Für relevante Teile der sehr energieintensiven Betriebe gibt es über das Zusammenspiel der Instrumente eine wettbewerbsfähige Lösung», sagte Habeck. Lindner betonte, auch der Mittelstand profitiere. Alle Maßnahmen seien im Rahmen der Schuldenbremse finanzierbar.

Strompreis in Deutschland einer der höchsten

Über Wege, die Industrie beim Strompreis zu entlasten, hatte die Bundesregierung monatelang gestritten. Im internationalen Vergleich ist der deutsche Strompreis aktuell ziemlich hoch – sowohl für Verbraucher, als auch für Unternehmen, die teils enorme Mengen an Energie benötigen. Besonders gilt das zum Beispiel für die Chemieindustrie, für Aluminiumwerke und Hersteller von Baustoffen.

Nach Daten der internationalen Energieagentur zahlt die Industrie in Deutschland fast dreimal so viel pro Megawattstunde wie in den USA oder Kanada. In der EU liegt Deutschland im Mittelfeld: Teurer ist Strom etwa in Dänemark und Italien, deutlich günstiger aber in Frankreich.

Der hohe Preis in Deutschland liegt zum einen an der ehemals starken Abhängigkeit von russischem Gas. Deutschland hat nur wenig eigene Öl- und Gasvorkommen, auch Wasserkraft und Sonne können anderswo besser zur Stromerzeugung genutzt werden. Dazu kommen der CO2-Preis, Steuern und Abgaben.

Industrie reagiert positiv

In der Industrie kommt das Paket der Bundesregierung weitgehend gut an. Der Branchenverband BDI begrüßte die Entlastung in der Breite – und besonders für die energieintensiven Unternehmen. Leider sei ihr Kreis mit 350 Betrieben aber sehr eng gewählt, «wodurch viele Unternehmen und auch Zukunftstechnologien außen vor bleiben». Das Handwerk warnte, wichtige energieintensive Branchen fielen durch das Raster, weil sie formal nicht zum produzierenden Gewerbe gehörten – etwa Textilreinigungen und Autowerkstätten.

Bundesregierung fürchtet Abwanderung von Unternehmen

Die Debatte über günstigen Strom für die Industrie hatte angezogen, nachdem immer mehr große Industriekonzerne laut darüber nachdachten, ihre Produktion in Länder mit niedrigeren Strompreisen zu verlagern. Das könnte Deutschland Arbeitsplätze kosten. Habeck hatte deshalb bereits im Mai vorgeschlagen, den Strompreis für die Industrie durch staatliche Subventionen künstlich zu drücken. Das sollte vorübergehend bis 2030 passieren – bis die Erneuerbaren Energien so stark ausgebaut sind, dass die Strompreise von alleine sinken. Kostenpunkt: rund 25 bis 30 Milliarden Euro.

Wenig Gegenliebe für ein Habeck-Konzept

Die Pläne des Grünen-Politikers wurden jedoch scharf kritisiert, weil nur rund 2500 besonders energieintensive Unternehmen von den günstigen Preisen profitieren sollten. Der Mittelstand und viele Handwerker würden leer ausgehen. Außerdem bestehe die Gefahr, eine Industrie staatlich zu unterstützen, die gar nicht zukunftsfähig wäre. Die «Wirtschaftsweise» Monika Schnitzer sagte, das drohe den dringend nötigen Strukturwandel zu bremsen. Ähnlich äußerten sich andere Ökonomen, die bezweifelten, dass Strom mit einem Ausbau Erneuerbarer Energien je wirklich günstig wird. Lindner hatte daraufhin eine Reduzierung der Stromsteuer ins Gespräch gebracht.

Von Theresa Münch und Martina Herzog, dpa