30. April 2024

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Ein teurer Tag für die Offshore-Windkraft

Es ist eine Premiere: Erstmals zahlen in Deutschland Konzerne für das Recht, Windparks in Nord- und Ostsee bauen zu dürfen. Der Erlös der Auktion soll den Stromkunden zu Gute kommen.

Es ist ein historischer Moment für den Ausbau der Windkraft in Deutschland – und eine gute Nachricht für Stromkunden: Erstmals hat die Bundesnetzagentur vier Flächen für Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee versteigert und dabei einen Erlös in Höhe von 12,6 Milliarden Euro erzielt. Das teilte die Aufsichtsbehörde am Mittwoch in Bonn mit. Immerhin 90 Prozent der eingenommenen Gelder sollen zur Senkung der Stromkosten dienen. Jeweils 5 Prozent fließen in den Meeresnaturschutz und die Förderung einer umweltschonenden Fischerei.

«Die Ergebnisse bestätigen die Attraktivität von Investitionen in Offshore-Windenergie in Deutschland»», sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. «Der Wettbewerb um die Offshore-Windenergie ist hoch wie nie.» Erfolgreiche Bieter waren am Ende die Mineralölkonzerne BP und Total Energies, die sich jeweils zwei Flächen sicherten. Die Inbetriebnahme der Windparks ist für das Jahr 2030 vorgesehen.

Es war das erste Mal, dass die Bundesnetzagentur mit Hilfe einer Auktion bestimmte, welche Unternehmen einen Windpark errichten dürfen. Versteigert wurden drei Flächen für Windparks mit einer Leistung von jeweils 2000 Megawatt in der Nordsee und eine Fläche für einen Windpark mit einer Leistung von 1000 Megawatt in der Ostsee bei Rügen.

Sieben Gigawatt auf einen Schlag

Die nun abgeschlossene Auktion war schon aufgrund der Größe der geplanten Windparks bemerkenswert. Auf einen Schlag wurden 7 Gigawatt an Leistung ausgeschrieben – genug um die aktuellen Offshore-Kapazitäten in Deutschland fast zu verdoppeln. Denn nach Angaben des Beratungsunternehmens Deutsche Windguard waren Ende 2022 in Deutschland 1539 Offshore-Windenergieanlagen mit einer Leistung von insgesamt 8,1 Gigawatt in Betrieb.

Möglich wurde das zuvor bei Offshore-Windkraft noch nicht praktizierten Auktionsverfahren, weil für alle vier Flächen mehrere Angebote vorlagen, in denenen die Bieter von vorneherein auf die lange Zeit übliche Förderung für den Bau von Windparks verzichteten. Für die Flächen in der Nordsee gab es jeweils acht Interessenten, für die Fläche in der Ostsee sogar neun Bewerber.

Für Stromkunden ist der Milliardenerlös aus der Versteigerung eine gute Nachricht. Denn der überwiegende Teil des Geldes soll zur Finanzierung des notwendigen Netzausbaus verwendet werden und damit letztlich die Stromkosten der Verbraucherinnen und Verbraucher senken.

Nur ein Tropfen auf den heißen Stein

Allzu viel Entlastung bei den Strompreisen sollten die Verbraucherinnen und Verbraucher durch den Versteigerungserlös allerdings nicht erwarten. Denn angesichts geschätzter Netzausbaukosten von über 100 Milliarden Euro sei auch der Milliardenerlös aus der Aktion eher ein Tropfen auf den heißen Stein, meinte ein Experte. Außerdem erfolgt die Zahlung der Stromkostensenkungskomponente in 20 jährlich gleichbleibenden Raten.

Für die Zukunft der Windkraft in Deutschland ist der Ausgang des Bieterverfahrens nach Einschätzung vieler Experten ein vielversprechendes Signal. «Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt zur Erreichung des Offshore-Ausbauziels von 30 Gigawatt bis 2030», betonte der Netzagentur-Chef. Auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes der Windparkbetreiber Offshore (BWO), Stefan Thimm, urteilte, die Investitionen seien von enormer Bedeutung für den Ausbau der erneuerbaren Energien und für das Erreichen der klimapolitischen Ziele der Bundesregierung. Die BP-Managerin Anja-Isabel Dotzenrath sprach von einem «großen Meilenstein für die Dekarbonisierungspläne von BP in Deutschland».

Der Energieexperte Dominik Hübler vom Beratungsunternehmen Nera sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Ausgang der Versteigerung sei ein «starkes Signal», für wie attraktiv der deutsche Markt gehalten werde. Er betonte, 12,6 Milliarden Euro seien zwar viel Geld. Doch komme es immer auf die Alternativen an. Wenn man das mit den Kosten der Neuerschließung eines Ölfeldes im arktischen Eis vergleiche, sei die Summe gar nicht mehr so hoch.

Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem Durchbruch für die Offshore-Windenergie. Erneuerbare Energien würden zum Selbstläufer. Erstmals zahlten Projektträger, um Offshore-Windenergieanlagen bauen zu können.

Kritik kam von Herstellern der Anlagen. Die Zuschlagswerte zeigten, dass Offshore-Windenergie die Kosten der Stromerzeugung drastisch dämpfen könne, hieß es beim Maschinenbauverband VDMA Power Systems. «Die Gebotskomponente und das dynamische Gebotsverfahren im Ausschreibungsdesign lassen aber zu wenig Spielraum für Erträge der herstellenden Offshore-Windindustrie», kritisierte Geschäftsführer Dennis Rendschmidt. Das Festhalten der Bundesregierung an negativen Geboten zu Lasten der Offshore-Windindustrie sei falsch. Denn für das Erreichen der Zubauziele seien weitere Investitionen nötig. Das «WindSeeGesetz» müsse daher «schnellstmöglich» novelliert werden.

Von Erich Reimann, dpa