Wer vergeblich auf ein Paket wartet oder sich über eine beschädigte Sendung ärgert, kann künftig auf die Schützenhilfe durch eine Bundesbehörde zählen.
Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch eine Postreform, der zufolge künftig alle Post- und Paketdienstleister an Schlichtungsverfahren der Bundesnetzagentur teilnehmen müssen. Bisher ist die Teilnahme nur freiwillig – der Paketdienstleister Hermes macht mit, der Marktführer Deutsche Post DHL hingegen nicht. Entsprechend hoch ist der Anteil der Schlichtungsverfahren, die scheitern – im vergangenen Jahr waren es knapp die Hälfte der bei der Behörde eingereichten Schlichtungsanträge.
In der Hälfte der Schlichtungsverfahren werden Verlust als Grund genannt, in einem Viertel Schäden und im verbliebenen Viertel Sonstiges. In den allermeisten Fällen geht es um Pakete, der Anteil von Einschreiben und gewöhnlichen Briefen ist gering. Die Schlichtungsverfahren beschäftigen sich mit Sendungen, die am Schalter oder an einer Paketstation aufgegeben werden. Um Pakete, die von Online-Händlern kommen, geht es nicht. Denn hierbei trägt ohnehin der Verkäufer das Risiko von Schäden beim Versand – der «Gefahrübergang» erfolgt erst an der Haustür.
Die Deutsche Post ist nicht glücklich mit der Pflicht zur Schlichtungsteilnahme. Ein Firmensprecher verwies darauf, dass Paketempfänger schon jetzt vor Gericht klagen könnten – in einem Großteil solcher Verfahren obsiege die Post. «Wir sind nicht davon überzeugt, dass ein Schlichtungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hinsichtlich der Schadensregulierung führen wird.» Er hoffe, dass sich der durch die Verfahren verursachte bürokratische Aufwand in Grenzen halte. Wegen dieses höheren Aufwands «und der für uns sehr zweifelhaften Aussicht einer Verbesserung aus Kundensicht» habe die Post die Teilnahme an Schlichtungsverfahren bisher abgelehnt.
Durch die verpflichtende Teilnahme aller Dienstleister gewinnen die Schlichtungsverfahren zwar an Relevanz. Allerdings sind sie für Verbraucher weiterhin kein allzu scharfes Schwert. Denn kann der Dienstleister die Vorwürfe nicht nachvollziehen, so hat der Verbraucher schlechte Aussichten auf Kompensation. Klar ist aber auch, dass verärgerte Kunden nicht gut für das Image sind. Hermes betont zum Beispiel, dass man «im Sinne unserer Service- und Verbraucherorientierung» in Schlichtungsfällen eng mit der Bundesnetzagentur kooperiere.
Ein weiterer Eckpunkt der Reform ist die Übertragung einer Regelung aus einer Verordnung in das Postgesetz. Hierbei geht es um die Frage, wie die Bundesnetzagentur den Spielraum für Briefporto-Erhöhungen berechnen soll – zwei Verordnungsänderungen in vergangenen Jahren wirkten sich positiv für die Post aus und das Porto konnte kräftiger steigen als ohne diese Änderungen. Zwei Gerichte hatten aber bemängelt, dass die Regelung nur in der Verordnung und nicht in dem Postgesetz steht. Das soll sich ändern. Damit bliebe bei den Portoerhöhungen alles beim Alten. Die nächste Briefporto-Erhöhung ist für Anfang 2022 geplant.
Wettbewerber der Post hatten die Art der Portoerhöhungen kritisiert – sie monieren, dass der Marktführer dadurch sein Porto zu stark erhöhen dürfe, mit den Einnahmen sein Paketgeschäft quersubventioniere und dadurch den Wettbewerb erschwere. Die Klage des Postkonkurrenten-Verbandes Biek führte vor den beiden Gerichten zwar zum Erfolg, durch die Gesetzesänderung müssen sie aber auch in Zukunft mit recht hohen Portoerhöhungen rechnen.
Entsprechend verhalten fiel die Reaktion des Verbandes, in dem Hermes, DPD, GLS und UPS Mitglieder sind, am Mittwoch auf die Reform aus. «Wir begrüßen, dass mit der Gesetzesänderung eine nicht rechtmäßige Situation beendet wird», sagte der Biek-Vorsitzende Marten Bosselmann. «Allerdings wird mit der nachträglichen Legalisierung noch kein Änderung im Sinne eines funktionierenden Wettbewerbs geschaffen.»
Die Gesetzesänderung geht noch in den Bundestag und Bundesrat – erst danach wären die neuen Vorgaben verbindlich. Spätestens im März soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein. Die Änderungen gelten nur als kleine Novelle. Die «große» Postgesetz-Überarbeitung wurde hingegen auf die nächste Legislaturperiode verschoben – sie könnte dazu führen, dass an Montagen keine Briefe mehr zugestellt werden.
In Oppositionsreihen stieß der Reformschritt auf Kritik. «Es ist längst überfällig, Paketunternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen», sagte der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser mit Blick auf die Pflicht zur Teilnahme an Schlichtungen. «Doch auch verpflichtende Schlichtungsverfahren können nicht darüber hinwegtäuschen, dass endlich grundsätzlich für Ordnung auf dem Paketmarkt gesorgt werden muss.»
Aus Sicht des FDP-Bundestagsabgeordneten Reinhard Houben greift die Reform viel zu kurz. Die von Gerichten für unrechtmäßig befundenen Portoerhöhungen 2016 und 2019 würden rückwirkend legalisiert, sagt der Liberale. «Es bleibt dabei, dass die Bundesregierung den ehemaligen Staatsmonopolisten bevorzugt und schützt und damit den Wettbewerb ausbremst.»
Unterdessen wurde eine Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage bekannt, der zufolge Briefe der Deutschen Post zuletzt länger vom Briefkasten bis zum Empfänger unterwegs waren als früher. Wie eine Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion zeigt, waren im dritten Quartal 2020 nur noch 85,4 Prozent der Sendungen am nächsten Werktag beim Adressaten. Das sind 2,3 Prozentpunkte weniger als 2019. In den Jahren zuvor hatte es zwar auch Rückgänge gegeben, diese waren aber schwächer.
Die Post begründet die negative Entwicklung mit der Corona-Pandemie. Durch Covid-19-Schutzmaßnahmen sei es zu «Abweichungen» gekommen, etwa durch geänderte Transportprozesse, sagt ein Konzernsprecher. Durch Abstandsregelungen können demnach zum Beispiel in Briefzentren mitunter weniger Beschäftigte arbeiten als zuvor, dadurch wiederum werden weniger Briefe bearbeitet und es bilden sich Rückstände.
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