3. Dezember 2024

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Geldanlage mit gutem Gewissen: Aufwind für Alternativbanken

Geldanlage mit gutem Gewissen: Aufwind für Alternativbanken

Nachhaltige Geldanlagen waren lange nur eine Spezialität sozial und ökologisch ausgerichteter Banken. Die Bochumer GLS ist mit diesem Konzept groß geworden. Heute haben fast alle Geldhäuser grüne Produkte im Angebot. Der GLS-Chef findet das «sehr positiv».

50.000 Euro für eine Käserei und den Kauf eines Traktors, 300.000 Euro zur Sanierung eines Kinosaals, 5 Millionen Euro für den Bau eines Mehrfamilienhauses – wer von der Bochumer GLS Bank einen Kredit für eine Firma oder ein Projekt erhält, verzichtet auf das Bankgeheimnis.

Denn sie oder er landet mit Namen, Kreditsumme und Verwendungszweck im Kundenmagazin der Bank.

Mit dieser Strategie sei die GLS, die sich als größte und älteste sozial-ökologische Bank Deutschlands bezeichnet, auch in der Corona-Krise zweistellig gewachsen, sagte Vorstandssprecher Thomas Jorberg am Montag bei der online-Bilanzpressekonferenz der Bank. Rund 280 000 Kundinnen und Kunden haben Konten und Kredite bei dem Geldhaus, die Bilanzsumme stieg um 1,3 Milliarden Euro auf 8,0 Milliarden Euro. Neue Kredite vergab die Bank in Höhe von 1,1 Milliarden Euro – für erneuerbare Energien, Bio-Landwirtschaft oder soziale Projekte. Mit diesen Zahlen sei die GLS mittlerweile «eine große Genossenschaftsbank», sagte Jorberg.

Verglichen mit den Marktführern wie der Deutschen Bank oder den großen Sparkassen führen die GLS und andere Alternativbanken aber «immer noch ein Nischendasein», betont Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance. Ihr Wachstum sei zwar «prozentual gar nicht so gering». Im Gesamtmarkt hätten sie ihre Position aber kaum ausbauen können. Denn der Anteil der Bevölkerung, der sich aktiv für das Thema nachhaltige Bankgeschäfte interessiere, sei noch überschaubar. «Dieses Potenzial haben die Nachhaltigkeitsbanken in den vergangenen Jahren schon weit ausgeschöpft.»

Zudem sind die sogenannten Alternativbanken wie die GLS, die Umweltbank oder die Ethikbank sind längst nicht mehr die einzigen Geldhäuser, die nachhaltige Geldanlagen anbieten. «Viele Banker, von den Großbanken über die Volksbanken bis zu den Sparkassen, entdecken gerade die Positionierungs- und Geschäftschancen, die in diesem Jahrhundertthema stecken», erläutert Heinz-Gerd Stickling von der auf den Finanzsektor spezialisierten Unternehmensberatung ZEB. Zwei Drittel der von der ZEB befragten Bankkunden wünschten sich eine deutliche Weiterentwicklung ihrer Hausbank in puncto Nachhaltigkeit.
«Die Hälfte dieser Kunden wiederum ist wechselbereit – hier liegt das Risiko, wenn die Konkurrenz es besser macht.»

In Deutschland seien die klassischen Banken, im Vergleich zu den Niederlanden oder Skandinavien, beim Thema Nachhaltigkeit lange sehr zurückhaltend gewesen, sagt auch Bankexperte Faust. «Mittlerweile hat sich das gewandelt. Viele Banken haben gemerkt, dass es ein Kundeninteresse gibt.» Nach Angaben des Forums Nachhaltige Geldanlage aus dem vergangenen Sommer hatten Privatanleger im Jahr 2019 mehr als 18 Milliarden Euro in Produkte investiert, bei denen Umwelt- oder Sozialkriterien als Anlagebedingungen festgeschrieben sind.

Jorberg sieht keine Gefahr, dass die Traditionsbanken mit ihren grünen Angeboten seinem Haus das Wasser abgraben könnten. Er sieht die GLS Bank vielmehr als Vorreiter eine grundlegenden Wandels im Bankgeschäft. Auch die Bankenaufsicht frage zunehmend nach Klima- und Naturrisiken der Kreditgeschäfte. Für die Gesellschaft sei das «sehr positiv».

Beim Wachstum der überwiegend online arbeitenden Bank gebe es «keine Grenze am Horizont», ist Jorberg überzeugt. Abgeschreckt hat die Kunden auch nicht, dass sie seit 2017 neben den Kontoführungsgebühren auch einen Grundbeitrag von 60 Euro im Jahr zahlen müssen. Dass es in Zeiten von Klimakrise und Fridays-for-Future-Bewegung für die GLS bei den Kundenzahlen nicht noch schneller voran geht, hat aus Jorbergs Sicht wohl einen anderen Grund: «Die Bank zu wechseln, ist für viele ein großer Schritt.»

Von Claus Haffert, dpa