16. April 2024

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Mieten steigen langsamer – aber Druck aufs Umland wächst

Mieten steigen langsamer - aber Druck aufs Umland wächst

Familien ziehen aus der Stadt:

Nach dem Immobilienboom der vergangenen Jahre erwarten Fachleute auch 2021 steigende Mieten gerade in Ballungsräumen – allerdings mit veränderter Richtung.

«Die Corona-Krise verstärkt den Trend zur Wanderung ins Umland der Großstädte», sagte Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Folglich könnten die Mieten in den Speckgürteln stärker steigen als in den Metropolen, wo schon viel Spielraum für Erhöhungen ausgereizt sei. Womöglich werde es eine stärkere Zweiteilung am Mietmarkt geben. «Das Umland zieht noch mehr Familien an, die Platz brauchen und in den Städten dominieren kleinere Haushalte, Singles und junge Leute.»

Auch das Hamburger Gewos-Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung erwartet mehr Wanderungen in Regionen um die Großstädte. «Das Umland ist der Gewinner der Pandemie», sagte Geschäftsführerin Carolin Wandzik. Auch sie halte es für wahrscheinlich, dass die Mieten im Umland 2021 stärker steigen als in den Großstädten selbst. «Der Abstand beim Preisniveau dürfte sinken.» Auch für Investoren werde das Umland der Metropolen attraktiver.

Gewos sieht unterdessen kein Ende der Mietanstiege in Deutschland – trotz Corona-Krise. Ab Frühjahr, als sich die Pandemie hierzulande ausbreitete, habe es nur einen kleinen Dämpfer gegeben. Im dritten Quartal seien die Mieten im Schnitt um 3,4 Prozent gemessen am Vorjahreszeitraum gestiegen, zeigt eine Gewos-Auswertung für die Deutsche Presse-Agentur. In den sieben größten Städten betrug das Plus demnach 4,5 Prozent.

Besonders groß waren die Zuwächse in Frankfurt (4,9 Prozent) sowie in Hamburg und Berlin (je 4,7), während die Mieten in Köln (4,3) und Düsseldorf (3,9) etwas weniger kräftig stiegen. «Die Mietanstiege flachen in der längerfristigen Betrachtung aber langsam ab», sagte Gewos-Geschäftsführerin Carolin Wandzik. So sei der Anstieg der Mieten im Sommer 2019 gegenüber 2018 noch größer gewesen.

Unter dem Druck hoher Mieten und Wohnungspreise zieht es Familien schon seit Jahren raus aus den Städten, wo Immobilien deutlich günstiger sind und es mehr Häuser im Grünen gibt. Die Metropolen wuchsen vor allem mit dem Zuzug ausländischer Fachkräfte – und die kämen nun mit der Corona-Krise seltener, sagt IW-Experte Voigtländer. «Es könnte sein, dass die deutsche Wirtschaft nach der Pandemie weniger Fachkräfte anzieht als zuvor.» Kleinere Städte mit einem guten Angebot an Kitas, Schulen und Einkaufsmöglichkeiten sowie einer guten Verkehrsanbindung an die Metropolen seien gefragt.

Der Trend zum Homeoffice verstärke den Trend noch, da die Menschen längere Arbeitswege in Kauf nehmen könnten. «Wenn ich seltener ins Büro muss, kann ich mir auch im Umland ein Zimmer mehr oder einen Garten leisten.» Höhere Kosten fürs Homeoffice wie für Strom können Arbeitnehmer zudem zumindest teilweise von der Steuer absetzen.

Kommt nun nach der Landflucht die neue Landlust? So weit möchte Voigtländer nicht gehen. «Ich glaube nicht, dass das platte Land plötzlich wieder gefragt ist, denn dazu fehlt es dort an Kitas, Schulen und Angeboten zum Einkaufen und Ausgehen.»

Dass sich Wohnpräferenzen infolge der Pandemie aber geändert haben, darauf deutet eine Umfrage der Landesbausparkassen unter gut 1000 Menschen hin. 34 Prozent gaben dabei an, bei einem Umzug stärker auf Balkon oder Garten achten zu wollen, 23 Prozent hätten gerne mehr Zimmer und je 17 Prozent mehr Möglichkeiten zur Selbstversorgung sowie eine bessere Internetverbindung. Jeweils 15 Prozent wünschten sich eine bessere Nachbarschaft und eine Wohnung weiter außerhalb.

«Viele Wünsche laufen also darauf hinaus, dass es die Bundesbürger tatsächlich verstärkt ins Umland verschlagen könnte, denn dort lassen sich die meisten Ansprüche eher erfüllen als mitten in der Stadt», folgern die Autoren. Ganze 40 Prozent der Mieter fänden ihre Wohnsituation nach den Corona-Erfahrungen nicht mehr optimal.

Der nachlassende Zustrom in die Großstädte wirkt sich laut Gewos auch auf die Bevölkerungszahlen aus, hieß es einer kürzlich vorgestellten Prognose bis 2035. Städte wie Stuttgart und Düsseldorf, aber auch das boomende München wachsen demnach langsamer – weil die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte in der Pandemie nachlasse und manche Städte an die Grenzen ihres Wachstums gelangten. «Firmen sind vorsichtig bei Neueinstellungen, zudem haben Reisebeschränkungen die Mobilität gebremst», sagt Geschäftsführerin Wandzik. Weniger Zuwanderung könne die Wohnungsmärkte in den Großstädten entlasten.

Insgesamt seien aber keine Einbrüche bei den Mieten und Preisen zu erwarten, glaubt IW-Experte Voigtländer. «Der Wohnungsmarkt kommt bisher überraschend gut durch die Corona-Krise».» Offenbar seien Immobilien nicht so überbewertet wie gedacht und die Wohnungsknappheit bleibe. «Zudem haben viele Menschen eine höhere Zahlungsbereitschaft fürs Wohnen in Zeiten von Lockdowns, wenn Urlaube schwer planbar sind und Restaurants geschlossen.»

Copyright 2020, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten, Von Alexander Sturm, dpa

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