28. April 2024

Börsenprofi

Die Börsen im Überblick

Thyssenkrupp: Börsengang von Wasserstoff-Tochter im Sommer

Grüner Wasserstoff soll eine Schlüsselrolle bei der Klimawende spielen. Man braucht viele und große Anlagen, um ihn herzustellen. Auf dem weltweiten Markt dafür mischt der Thyssenkrupp-Anlagenbauer Nucera mit.

Der schon länger angekündigte Börsengang der Thyssenkrupp-Wasserstoff-Tochter Nucera rückt näher. Die Platzierung der Aktien sei vor der Sommerpause geplant, sofern das Marktumfeld mitspiele, teilte Nucera in Dortmund mit. Thyssenkrupp will den Angaben zufolge langfristig die Mehrheit an seiner Tochter halten. Zurzeit hält das Unternehmen 66 Prozent.

Der bisherige Minderheitsaktionär Industrie De Nora (34 Prozent) will demnach seine langjährige Partnerschaft mit dem Unternehmen fortführen. De Nora ist ein italienischer Hersteller von Elektrochemie-Technologie. Der Börsengang war bereits 2022 ins Auge gefasst, wegen unsicherer Marktbedingungen aber zurückgestellt worden.

Alkalische Wasserelektrolyse soll ausgebaut werden

Bei dem Börsengang will Thyssenkrupp Nucera vor allem neu ausgegebene Stammaktien aus einer Kapitalerhöhung anbieten. Der Erlös – erwartet werden etwa 500 Millionen bis 600 Millionen Euro – soll zum Ausbau des Geschäfts mit der sogenannten alkalischen Wasserelektrolyse (AWE) zur klimaneutralen Herstellung von Wasserstoff verwendet werden. Die Firma sieht dort großes Wachstumspotenzial. Bei der Wasserelektrolyse wird Wasser mit Hilfe von Strom in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Wurde der Strom zuvor klimaneutral erzeugt, zum Beispiel mit Windrädern oder Solarzellen, wird der Wasserstoff «grün» genannt. Nucera baut auch Anlagen für die Chlor-Alkali-Elektrolyse.

«Die Wasserelektrolyse verbindet erneuerbare Energiequellen mit einer großen Bandbreite von Industrien, die ohne grünen Wasserstoff nicht oder nur sehr schwer zu dekarbonisieren wären», sagte Nucera-Vorstandschef Werner Ponikwar vor Journalisten. Grüner Wasserstoff sei ein Schlüsselenergieträger für ein CO2-neutrales Energiesystem und eine nachhaltige Industrie. Wasserstoff werde bereits seit vielen Jahrzehnten in großen Mengen produziert und auch konsumiert, jedoch fast vollständig als sogenannter grauer Wasserstoff vor allem aus Erdgas erzeugt. Als «grau» wird Wasserstoff dann bezeichnet, wenn bei seiner Herstellung Kohlendioxid entsteht, das in die Atmosphäre entweicht.

Wasserstoff-Bedarf soll sich versiebenfachen

Schätzungen zufolge dürfte sich der jährliche, weltweite Bedarf an Wasserstoff von aktuell 95 bis 100 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2050 versiebenfachen, sagte Ponikwar. Hinzu komme, dass die bisher fast vollständig fossile Erzeugung von grauem Wasserstoff bis dahin überwiegend auf die Herstellung von grünem Wasserstoff umgestellt werden soll.

Die zusätzliche Nachfrage werde aus vielen verschiedenen Sektoren kommen. Ponikwar nannte als Beispiele industrielle Bereiche wie die Stahlherstellung, Raffinerien und Ammoniaksynthese, aber auch Energiebereiche wie die Stromerzeugung, Stromspeicherung, Wärmeerzeugung sowie Schwerlast-Mobilität. Verkaufen will Nucera die Anlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff zunächst vor allem in Europa und den USA. In den USA erwägt Nucera dabei laut Ponikwar auch den Aufbau von Produktionskapazitäten.

In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2022/23 steigerte Nucera seinen Umsatz nach vorläufigen Zahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 74 Prozent auf 306 Millionen Euro. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) lag in diesem Zeitraum bis Ende März 2023 bei gut 13 Millionen Euro. Bis zum Geschäftsjahr 2023/2024 will das Unternehmen das Geschäft mit der alkalischen Wasserelektrolyse ausbauen und in diesem Geschäftsfeld einen Umsatz von 600 bis 700 Millionen Euro erzielen. Ende März saß Nucera nach eigenen Angaben auf Aufträgen im Wert von rund einer Milliarde Euro allein aus dem AWE-Geschäft. Insgesamt belief sich der Auftragsbestand auf 1,4 Milliarden Euro. Nucera beschäftigt zurzeit mehr als 600 Menschen.