19. April 2024

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VW-Führungsfrage könnte bald geklärt sein

VW-Führungsfrage könnte bald geklärt sein

Sondersitzung am Abend:

Im Streit über die Führungsfrage bei Volkswagen und möglicherweise auch die Zukunft von Konzernchef Herbert Diess bahnt sich nun doch schon vor Weihnachten eine Entscheidung an. Der VW-Aufsichtsrat sollte nach Angaben aus informierten Kreisen noch heute Abend zusammenkommen.

Wie demnach zu hören war, geht es dabei auch um die Forderung des Vorstandsvorsitzenden nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung sowie um weitere Personalthemen. Beim letzten regulären Treffen hatte es am vergangenen Mittwoch zunächst keine Beschlüsse hierzu gegeben. Der Druck für Weichenstellungen vor dem Jahreswechsel steigt nun.

Unter den VW-Aufsehern gilt die Stimmung als angespannt. Diess soll – nach einer ersten Initiative im Sommer – erneut auf eine frühzeitige Verlängerung seines Vertrags gedrungen haben. Er ist bis zum Frühjahr 2023 als Vorstandsvorsitzender von VW bestellt. Auch einen frischen Fünfjahresvertrag brachte der Manager Insidern zufolge ins Gespräch.

2021 stehen zentrale Neubesetzungen beim weltgrößten Autokonzern an. Finanzvorstand Frank Witter will sich zur Jahresmitte zurückziehen, für den abgetretenen Beschaffungsvorstand Stefan Sommer wird ebenso eine Nachfolgelösung gesucht. Diess soll Audi-Finanzchef Arno Antlitz und Kernmarken-Chefeinkäufer Murat Aksel favorisieren, zudem könnte Komponenten-Chef Thomas Schmall in die Konzernführung berufen werden.

Antlitz etwa stößt beim mächtigen VW-Betriebsrat aber auf Widerstand – weil Diess die Durchsetzung seiner Kandidaten angeblich mit seiner eigenen Vertragsverlängerung zu koppeln versucht. Über ein separates Vorstandsressort für IT und Software wird ebenfalls diskutiert.

Eine frühzeitige Zustimmung zu einer Weiterverpflichtung wäre für Diess ein Vertrauensbeweis, um den schwierigen Konzernumbau noch rascher voranzutreiben und die Rendite gemäß seinen Vorstellungen zu erhöhen. Mehrere Aufsichtsräte sollen sich allerdings durch das Vorpreschen des Top-Managers irritiert und bedrängt fühlen – mitunter ist vom Eindruck einer Eskalationsstrategie die Rede. Der Kommunikationsstab von Diess wollte sich auf wiederholte Anfrage nicht zu dem Thema äußern.

Üblicherweise wird erst ab einem Jahr vor dem Auslaufen über einen Anschlussvertrag verhandelt, wobei der Ball bei den Kontrolleuren liegt. Während der Beratungen in der Vorwoche soll laut Angaben aus dem Umfeld von Beteiligten ein neuer, offener Konflikt nur knapp abgewendet worden sein – die von Diess offensiv eingeforderte Rückendeckung stieß einigen Entscheidern offenbar sauer auf. Er hatte auch erklärt, «verkrustete» Strukturen bei VW aufbrechen zu wollen.

Im Juni hatte es einen Eklat gegeben. Daten aus der Produktion zu den Anlaufproblemen des Golf 8 und Diess‘ angebliche Vertragsforderungen waren damals durchgesickert. Der Vorstandschef warf Mitgliedern des Aufsichtsrats daraufhin Straftaten und «Zeichen fehlender Integrität» vor. Später entschuldigte er sich. Vertrauensleute der bei Volkswagen sehr einflussreichen IG Metall hatten der Führungsspitze in einem offenen Brief bereits zuvor ihr Misstrauen ausgesprochen.

Für das energische Umsteuern zu Elektroantrieben und Digitalisierung bekommt Diess grundsätzlich zwar viel Zuspruch. Sein Kurs findet insgesamt breite Unterstützung und wird als mutig angesehen, mehrmals ließ auch die Familie Porsche/Piëch als größter VW-Anteilseigner das erklären. Doch zu einer baldigen Vertragszusage über 2023 hinaus hieß es von dort schon im November: «Die Frage stellt sich derzeit nicht.»

Ähnliches sagte Audi-Betriebsratschef Peter Mosch in der «Augsburger Allgemeinen». Die Arbeit von Diess genieße große Wertschätzung: «Niemand will, dass Diess aufhört. (…) Er treibt den Konzern nach vorne, er will die Wende hin zur Elektromobilität schaffen.» Bezogen auf die Vertragsfrage erklärte Morsch aber: «Das steht gar nicht zur Debatte. Der Vertrag mit Herrn Diess läuft noch über zwei Jahre.»

Nachdem Vertreter der Arbeitnehmer- und der Kapitalseite sowie das Präsidium des Aufsichtsrats jüngst auch getrennt weiter beraten haben sollen, könnte jetzt zumindest eine Vorentscheidung zum obersten Führungspersonal im neuen Jahr anstehen. Letzter offizieller Stand: «Die Gespräche zwischen allen Beteiligten laufen konstruktiv weiter.»

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