29. April 2024

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Kabinett verständigt sich auf Kompromiss im Hafenstreit

Ein chinesischer Konzern kann bei einem Hamburger Containerterminal einsteigen - aber zu einem geringeren Anteil als geplant. Die Entscheidung ist in der Koalition umstritten.

Das Bundeskabinett hat sich im Streit um den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen auf einen Kompromiss verständigt. Wie das Wirtschaftsministerium am Mittwoch mitteilte, wurde eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen. Demnach können die Chinesen nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Containerterminal Tollerort erwerben. Ein weitergehender Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts werde untersagt. Cosco wollte ursprünglich einen Anteil von 35 Prozent erwerben.

Zudem seien Sonderrechte untersagt worden, so das Ministerium. Damit werde eine strategische Beteiligung am Terminal verhindert und der Erwerb auf eine reine Finanzbeteiligung reduziert. Grund für die Teiluntersagung sei, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit vorliege. Die Schwelle von 25 Prozent könne auch künftig nicht ohne neues Investitionsprüfverfahren überschritten werden. Weiter hieß es, Cosco werde unter anderem untersagt, sich vertraglich Vetorechte bei strategischen Geschäfts- oder Personalentscheidungen einräumen zu lassen.

Der Kompromiss ist in der Ampel-Koalition umstritten. Unter dem Eindruck der jüngsten Erfahrungen mit Russland und der Abhängigkeit von dessen Gaslieferungen war politischer Streit entbrannt über die Frage, ob eine chinesische Beteiligung zugelassen werden soll. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor neuen Abhängigkeiten.

Ministerien waren dagegen

Das Wirtschaftsministerium hatte eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco Shipping Ports Limited über eine 35-Prozent-Beteiligung der Chinesen am HHLA-Terminal Tollerort geprüft. Habeck wollte den chinesischen Einstieg komplett untersagen. Auch andere Ministerien wollten dies.

Das Kanzleramt drang aber laut Medienberichten darauf, dass der Einstieg zustande kommt. Hätte das Kabinett nicht in dieser Woche entschieden, wäre der Verkauf automatisch so wie von Cosco und HHLA ursprünglich vereinbart genehmigt worden. Bundeskanzler Olaf Scholz, der Anfang November nach China reist, hatte darauf verwiesen, dass es nicht um einen Verkauf des Hafens gehe.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer zu großen Abhängigkeit von China. «Für die Zukunft heißt es, wir müssen Lehren ziehen. Und die Lehre zu ziehen heißt, wir müssen einseitige Abhängigkeiten verringern, wo immer das geht, das gilt gerade auch gegenüber China», sagte Steinmeier am Dienstagabend bei seinem Ukraine-Besuch in den ARD-«Tagesthemen». «Es kommt sehr darauf an, dass wir sehr viel intensiver mit den Nachbarn Chinas reden, die sicherlich nicht unsere Handelsbeziehungen, wirtschaftlichen Beziehungen zu China ersetzen können. Aber Südostasien ist ein Raum mit 700 Millionen Einwohnern, wo ich glaube, wir das Verhältnis zu Ostasien neu ausbalancieren können.»

Neubewertung der Beziehung

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz forderte eine Neubewertung des Verhältnisses zu China. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und dem Parteitag der Kommunistischen Partei sei die Frage, «ob wir einem solchen Land noch weiter Zugang geben sollten zu unser wirklich kritischen Infrastruktur», sagte Merz im ARD-«Morgenmagazin». «Und da stehen für mich nicht in erster Linie finanzielle Aspekte im Vordergrund, sondern politisch-strategische.»

CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, übte ebenfalls Kritik. «Die Bundesregierung setzt mit ihren Entscheidungen zum Einstieg von Cosco beim Hamburger Hafen das völlig falsche Signal für ganz Europa», sagte der Vorsitzende der Mitte-Rechts-Fraktion im Europaparlament. Ansatz sollte es sein, auf Reziprozität zu setzen. «Die chinesische Staatsführung würde europäischen Staatsfirmen nie erlauben, ihre Infrastruktur zu kaufen», erklärte Weber.

Das Argument möglicher Wettbewerbsnachteile will er nicht gelten lassen. Hamburg argumentiere, dass andere Häfen, bei denen Cosco beteiligt sei, bevorzugt würden. Genau dies spreche für ein europäisch abgestimmtes Vorgehen, sagte der CSU-Parteivize. Die SPD habe «aus ihrer Naivität bei Nord Stream 2 leider nicht gelernt».

China ist wichtigster Handelspartner

Reedereibeteiligungen an Terminals sind in der globalen Containerlogistik üblich. Beispielsweise ist Hapag-Lloyd am Hamburger HHLA-Terminal Altenwerder beteiligt und Maersk hält Anteile an einem Terminal in Bremerhaven. Cosco selbst hält allein in Europa bereits Beteiligungen an acht Terminals.

In Hamburg hatte Sorge geherrscht, dass Cosco bei einem Scheitern des Deals Geschäfte beispielsweise zu den größeren Konkurrenzhäfen Rotterdam oder Antwerpen verlagern könnte. Der weltgrößte Exporteur China ist mit etwa einem Drittel der abgefertigten Container mit Abstand wichtigster Handelspartner des größten deutschen Seehafens.

Änderungen beim Außenwirtschaftsrecht?

Der FDP-Fraktionsvorsitzende, Christian Dürr, hat als Folge des Streits um einen chinesischen Einstieg in Hamburg Konsequenzen gefordert. Er sagte: «Der Fall Cosco zeigt, dass die geltende Rechtslage nicht mehr zur geopolitischen Realität passt. Die FDP hat von Anfang an klargemacht, dass eine Beteiligung von 35 Prozent der chinesischen Reederei an der Betreibergesellschaft des Terminals Tollerort mit ihr nicht zu machen ist.»

«Das Außenwirtschaftsrecht aus der Zeit der unionsgeführten Bundesregierung muss nun schnell geändert werden, damit wir auch bei einem Beteiligungsumfang unterhalb von 25 Prozent Einfluss haben», so Dürr. «Für Beteiligungen an kritischer Infrastruktur – und ausdrücklich auch an Betreibern von kritischer Infrastruktur – muss es künftig einer aktiven Zustimmung bedürfen.» Dafür werde sich die FDP einsetzen. Er erwarte dazu zeitnah einen Vorschlag aus dem zuständigen Bundeswirtschaftsministerium.