Es sollte kein «Trostgipfel» sein. Die Stimmung bei vielen Firmen ist auf dem Tiefpunkt: Es herrschen Frust und Verzweiflung, weil staatliche Hilfen nur langsam fließen – und es in besonders gebeutelten Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Tourismus keine Perspektive für Öffnungen gibt.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versuchte beim «Wirtschaftsgipfel» am Dienstag in die Offensive zu kommen. Er kündigte einen «Härtefallfonds» an, wenn Firmen bei den Finanzhilfen durchs Raster fallen.
Außerdem will Altmaier gemeinsam mit der Wirtschaft zu den nächsten Beratungen von Bund und Ländern am 3. März Empfehlungen für eine Öffnungsstrategie erarbeiten. Es sei von Verbänden «nachvollziehbar» beklagt worden, dass Ungewissheit mit das Schwierigste sei in der derzeitigen Lage.
Zweieinhalb Stunden lang tauschte sich Altmaier mit der Wirtschaft aus. Das Signal des Ministers, der in den vergangenen Wochen wegen der schleppenden Auszahlung von Hilfen unter Druck geraten war: Er stellt sich und hört zu. 40 Verbände nahmen teil, dem Vernehmen nach kamen etliche Vertreter gar nicht dran. Was besprochen wurde:
WEGE AUS DEM LOCKDOWN
Der Lockdown mit der Schließung von Gastronomie und Einzelhandelsgeschäften war zuletzt von Bund und Ländern noch einmal bis zum 7. März verlängert worden. Ausnahme: Friseure machen am 1. März wieder auf. Bei den «Empfehlungen» der Wirtschaft für eine Öffnungsstrategie soll es nach den Worten Altmaiers und Verbänden nicht darum gehen, welche Branche als erstes wieder öffnen kann, sondern um bestimmte Kriterien. Eine Rolle sollten Hygieneregeln, aber auch flächendeckend kostenfreie Schnelltests spielen. Bisher gibt es unterschiedliche Pläne von Verbänden, die nun unter einen Hut gebracht werden sollen.
Altmaier sprach von einer «begründeten Hoffnung», dass es für viele Bereiche bei den nächsten Bund-Länder-Beratungen eine Öffnungsperspektive geben könne. Allerdings hänge dies davon ab, wie sich die Corona-Lage entwickle. Vor allem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte immer wieder auf die Gefahr der Virusvarianten hingewiesen.
SORGE UM EINREISEREGELN
Für «Virusvariantengebiete» wie Tschechien gelten inzwischen strenge Einreiseregeln. Zwar gibt es Sonderregeln für den Warenverkehr. Grenzkontrollen behinderten aber wirtschaftlichen Aktivitäten und beeinträchtigten die international eng verflochtenen Lieferketten stark, warnte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Die große Sorge ist: Die Industrie muss Werke vorübergehend dicht machen wie im flächendeckenden Lockdown im Frühjahr. Das wäre ein schwerer Schlag für die Wirtschaft, zumal der Aufholprozess aus der Rezession sowieso schon länger dauern könnte.
ERWEITERUNG DER HILFEN
Überraschend kam Altmaiers Ankündigung eines «Härtefallfonds» – für Firmen, die Kriterien nicht exakt erfüllen oder dort, wo spezielle Verhältnisse in bestimmen Branchen nicht erfasst sind. Bundesseitig ist ein Umfang von 1,5 Milliarden Euro avisiert, wie es in Regierungskreisen hieß.
Altmaier muss den Fonds noch mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) abstimmen. Unklar ist, ob auch die Länder dafür Geld geben wollen. Wegfallen sollen zudem Obergrenzen bei der Überbrückungshilfe III. Bisher sind Unternehmen bis zu einem Umsatz von 750 Millionen Euro im Jahr 2020 antragsberechtigt.
PROBLEME BEI DEN HILFEN
Viele Firmen haben lange auf Geld gewartet – oder warten noch, wie Verbände kritisieren. Bei der November- und Dezemberhilfe sind noch längst nicht alle beantragten Gelder bei den Firmen angekommen, es geht um Milliardensummen. Bei der Überbrückungshilfe III fließen erst seit kurzem Abschlagszahlungen. Beantragt werden kann nun auch eine «Neustarthilfe», die sich an Soloselbstständige wie Künstler richtet, wie das Ministerium pünktlich zum «Gipfel» bekanntgab.
Die Probleme bei den Hilfen haben verschiedene Gründe. Zum einen handelt es sich um ein komplexes Fördersystem, auch wenn die Bundesregierung nun Vereinfachungen beschlossen hat. Zum anderen sorgt immer wieder ein politischer Streit für Verzögerungen – denn zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium läuft es längst nicht mehr rund. Dem Vernehmen nach gibt es teils lange Verhandlungen über einzelne Punkte der Hilfsprogramme. Dazu kommen Gespräche mit der EU-Kommission und den Ländern – über welche die reguläre Auszahlung der Hilfen läuft. Deswegen müssen technisch jeweils Schnittstellen bei den Plattformen programmiert werden. All das dauert Zeit.
REAKTIONEN DER WIRTSCHAFT
Die Konferenz müsse mehr als ein «Trostgipfel» sein, hatte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth, im Vorfeld gesagt. Er erwarte echte Perspektiven und wirkungsvolle Hilfspakete. HDE-Präsident Josef Sanktjohanser sagte nach dem Gespräch mit Altmaier: «Es war kein Trostgipfel.» Der Verband begrüße die Hilfszusagen für größere Handelsunternehmen, eine Öffnungsperspektive aber fehle weiterhin. Der Handel könne sicherstellen, dass der Einkauf nicht zum Hotspot werde.
Besonders gebeutelt ist auch das Gastgewerbe. Die Not sei riesig, sagte der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands, Guido Zöllick. Er sei davon überzeugt, dass die Gastronomie vor Ostern wieder öffnen könne. Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft, Michael Frenzel, sagte, die Branche brauche «sichere Reisekorridore». Er würde sich einen Dialog auch mit der Kanzlerin wünschen. «Völliges Wegducken» sei keine Lösung. Der Präsident der Familienunternehmer, Reinhold von Eben-Worlée, kritisierte, Altmaier habe keinen eigenen Stufen-Öffnungsplan vorgestellt – dies sei eine «Hinhaltetaktik».
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