27. April 2024

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Tausende Bauern und Traktoren in Berlin

Wieder rollen Kolonnen von Landwirtschaftsfahrzeugen ins Herz der Hauptstadt: Mit einer großen Demonstration macht die Branche Druck gegen das Ende von Subventionen. Einen Gesprächstermin gab es auch.

Mit einer langen Kolonne von Traktoren haben Tausende Landwirte in Berlin ihrem Ärger über die Ampel-Koalition und das Ende von Diesel-Vergünstigungen Luft gemacht. Bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor verlangte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Montag: «Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge zurück, dann ziehen wir uns zurück.» Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) rechtfertigte in einer von Buhrufen und Pfiffen begleiteten Rede die Einsparpläne, zeigte sich aber offen für Erleichterungen an anderen Stellen. Am Rande der Kundgebung trafen die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen zu einem Gespräch mit den Bauernverbänden zusammen.

SPD-Fraktionschef: Ampel will Landwirtschaft entlasten

Die Ampel-Koalition hat der Landwirtschaft Entlastungen versprochen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte nach einem Gespräch der Ampel-Fraktionschefs mit Vertretern der Bauernverbände, die Koalition plane bis zur Sommerpause strukturelle Entscheidungen, die der Landwirtschaft Planungssicherheit und Entlastungen geben sollten. Zu einer Agrardebatte am Donnerstag im Bundestag wolle die Koalition einen Entschließungsantrag mit einem Fahrplan für konkrete Erleichterungen bis zur Sommerpause einbringen.

Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann sagte, über die Frage, warum nicht mehr Einkommen auf den Höfen bleibe, müsse dringend geredet werden. Das sei nicht der Fall, weil die Marktmacht des Großhandels groß sei und Preise diktiert würden. Zudem sei über einen Tierschutzcent oder eine Tierschutzabgabe zu sprechen.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisierte bürokratische Belastungen der Landwirtschaft. Es müsse faire Rahmenbedingungen geben. «Landwirtinnen und Landwirte sind Unternehmer.» Sie wollten ihr Geld am Markt verdienen.

Bauernpräsident auf Demonstration: „Es reicht“

Rukwied rief, die Demonstration setze ein Zeichen: «Es reicht, zu viel ist zu viel.» Die Branche sei gesprächsbereit, der von der Regierung angebotene Kompromiss sei aber nicht fair, sondern faul. «Den nehmen wir nicht hin.» Der Bauernpräsident betonte, es sei nicht gelungen, die Proteste «in die rechte Ecke» zu drängen. Er mahnte, dass weiterhin eine sichere Versorgung mit heimischen Lebensmitteln gewährleistet sein müsse. Das sei auch die Grundlage für eine stabile Demokratie.

Zur Kundgebung kamen nach ersten Polizeiangaben 8500 Menschen und rund 6000 Fahrzeuge. Der Bauernverband nannte keine genaue Teilnehmerzahl, ging aber von rund 30.000 Demonstranten aus.

Die Kundgebung war der Höhepunkt einer Aktionswoche, mit der Bauern in den vergangenen Tagen bundesweit gegen die schon abgeschwächten Pläne der Ampel-Koalition mobil gemacht haben. Für Einsparungen im Haushalt 2024 soll die seit mehr als 70 Jahren bestehende Agrardiesel-Begünstigung wegfallen. Ursprünglich sollte die Hilfe sofort ganz wegfallen. Nun soll sie über drei Jahre auslaufen. Eine zunächst geplante Streichung auch der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirtschaftsfahrzeuge hat die Regierung ganz fallen gelassen.

«Hau ab!»-Rufe für den Finanzminister

Lindner sagte bei der Kundgebung, der Protest sei bereits erfolgreich gewesen, die Regierung habe die Argumente gehört. «Es soll und es darf kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben, sondern nur einen fairen Beitrag.» Er betonte: «Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen.» Der Minister sprach unter anderem Bürokratievorgaben, Umwelt- und Tierhaltungsauflagen an. Zu prüfen seien auch mögliche steuerliche Erleichterungen, wenn Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken.

Lindner nannte die Bauern-Proteste legitim und friedlich. Als er auf der Bühne an Rednerpult trat, wurde er von Pfiffen und Protestrufen begleitet. Rukwied richtete einen Appell an die Demonstranten und mahnte Respekt für den Minister an, der sich dem Dialog stelle. Auch während Lindners Rede gab es weiter «Hau ab!»-Rufe, Hupen und Pfiffe.

Seit dem Morgen standen Traktoren, Lastwagen und andere Fahrzeuge in mehreren Reihen dicht hintereinander auf der Straße des 17. Juni und dem Boulevard Unter den Linden. Schon in der Nacht waren Traktoren mit Hupkonzerten durch die Hauptstadt gerollt. Auf Fahrzeugen waren am Morgen Slogans zu lesen wie «Tank leer – aus die Maus», «Ohne Landwirte keine Zukunft» und «Transport made in Germany – wie lange noch?». Auf anderen Transparenten war von Regierungsversagen die Rede, von Unrecht, Vetternwirtschaft und Kriegstreiberei. Zu sehen war ein Modell eines Galgens mit einer Ampel. An der Siegessäule trugen Demonstranten Westen mit der Aufschrift «Wir sind das Volk».

Mit den Bauern rief die Transportbranche die Regierung zum Umsteuern auf. «Unserer Branche reicht es auch», rief der Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, bei der Kundgebung. Er kritisierte die erhöhte Lkw-Maut, die nun auch einen CO2-Aufschlag enthält. Es heiße, diese Abgabe solle der Transformation zugutekommen, gleichzeitig mangele es aber unter anderem an geeigneten Ladestationen und Stromnetzen, um den Logistikverkehr klimafreundlich umzustellen.